Deutscher Demonstrant abgeschoben: "Wir wollen mehr für Tibet"

David Demes wurde verhaftet und abgeschoben, weil er auf dem Tiananmen-Platz für ein freies Tibet demonstrierte. Er und seine Mitstreiter wurden von Passanten beschimpft.

"Die-In"-Demonstration für Tibet am Samstag auf dem Tiananmen-Platz. Bild: FREE TIBET 2008

taz: Herr Demes, schildern Sie uns Ihre Aktion am Samstag in Peking.

David Demes: Wir - drei Amerikaner, ein Kanadier und ich - sind gegen 12.30 Uhr problemlos durch die Sicherheitskontrolle mit Metalldetektoren auf den Platz des Himmlischen Friedens gekommen. Vier von uns haben sich hingelegt und mit Blutkapseln rot gefärbt, was das Blut des tibetischen Volkes symbolisieren sollte. Wir haben uns in tibetische Flaggen eingehüllt, die wir in unserer Kleidung versteckt hatten. Der Kanadier blieb stehen und erklärte der Menge unser "Die-in" auf Englisch. Nach zehn Minuten haben uns Menschen, die ich wegen meiner geschlossenen Augen nicht erkennen konnte, die Flaggen weggenommen. Dann haben wir Parolen wie "Tibeter sterben für die Freiheit" gerufen. Wir wurden von Zivilpolizisten abgeführt und mit einem als Krankenwagen getarnten Polizeiauto zu einer Wache gefahren, wo wir getrennt sechs Stunden lang verhört wurden.

Wie wurden Sie bis zur Abschiebung behandelt?

Ich kann mich nicht beklagen, erst recht wenn ich daran denke, wie Chinesen und Tibeter nach Protesten behandelt werden. Sie müssen mit Folter rechnen.

Wie hat die Menge auf dem Platz auf Ihre Aktion und Festnahme reagiert?

Nach der Festnahme wurden wir beschimpft, auch mit Dingen beworfen. Ich möchte diese Menschen nicht verurteilen, denn sie können nichts dafür. Wer weiß, wie ich reagiert hätte, wenn ich in diesem Regime aufgewachsen wäre.

Haben Sie versucht, Ihren Protest anzumelden und in einem der drei für Proteste vorgesehenen Parks durchzuführen?

Das ist eine Farce. Man kann dort nur Proteste mit einem Visum anmelden, das einem erlaubt, in China zu arbeiten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man für ein freies Tibet demonstrieren darf. Schließlich versuchen die Chinesen die Tibeter zum Schweigen zu bringen und haben vor den Spielen über eintausend Mönche festgenommen, nur damit diese während der Spiele nicht protestieren können. Auch Exiltibeter haben deswegen für die Zeit der Spiele keine Visa erhalten. Unser Protest war stellvertretend für die Tibeter.

Was bewirken Proteste von Ausländern auf dem Tiananmen-Platz?

Bevor es zu den Aggressionen der Passanten kam, haben sie diskutiert, was unsere Aktion zu bedeuten hat. Deshalb bringt es was, auch wenn sonst die Chinesen davon nichts mitbekommen. Dabei wurde selbst in der offiziellen englischsprachigen China Daily darüber berichtet, natürlich negativ. Wichtig ist, dass die westliche Welt Tibet während dieser pompösen Spiele nicht vergisst.

Wenn es darum geht, dass Tibet im Westen nicht vergessen wird, warum protestieren Sie dann nicht dort?

Es geht um das starke Symbol des Platzes als Ort der Demokratiebewegung 1989. Es geht auch darum, dass die chinesischen Führer lernen, dass Tibet ein Problem ist, das gelöst werden muss und sich nicht von allein löst.

Nach den Tibetunruhen im März haben viele Beobachter einen Schulterschluss zwischen Regierung und Han-chinesischer Bevölkerung festgestellt, weil die Revolte als Angriff auf die Nation bewertet wurde. Kann Ihr Protest nicht Ähnliches bewirken?

Das ist eine schwierige Frage. Die Han-Chinesen denken wohl zum Großteil so, aber nicht alle, es gibt ja auch Intellektuelle, die nach den Protesten einen kritischen offenen Brief an die Regierung geschrieben haben.

Wie groß ist die Gefahr, dass solche Aktionen zu einer Verhärtung der chinesischen Seite führen, weil sie als Gesichtsverlust interpretiert werden?

Ich halte nichts von der stillen Diplomatie, die bisher keine Verbesserungen in Tibet bewirkt hat.

Auch der Dalai Lama wünscht China erfolgreiche Spiele und fürchtet eine mögliche Verhärtung der Führung.

Ich wünsche sowohl den Athleten wie dem chinesischen Volk gute Spiele, aber nicht dem Regime. Wir verehren den gewaltlosen Kampf des Dalai Lama und seine Engelsgeduld. Allein seine Religion verbietet ihm den Konflikt. Ich bin kein Buddhist und frei in meinen Methoden. Wir wollen mehr als der Dalai Lama, der sich für Autonomie einsetzt. Wir wollen Unabhängigkeit für Tibet.

Was halten Sie von dem Vorwurf, solche Proteste seien reine Inszenierungen für westliche Medien. Würden diese nicht berichten, würde niemand davon Notiz nehmen.

Ich habe das nicht für die Medien gemacht, sondern für das tibetische Volk. Wenn die Medien nicht darüber berichten, versuche ich das anders an die Öffentlichkeit zu bringen. Solche Aktionen erinnern die chinesische Führung daran, dass sie das Problem lösen muss. So lange werden wir protestieren.

INTERVIEW: SVEN HANSEN

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.