Vor den Regionalwahlen in Venezuela: Machtkonzentration durch die Hintertür

Venezuelas Opposition hofft auf die Regionalwahlen. Präsident Chávez aber kämpft verbissen: Kandidaten werden nicht zur Wahl zugelassen, Demonstranten mit Tränengas gestoppt.

Wäre seine Konkurrenten gerne los: Hugo Chávez. Bild: dpa

BERLIN taz Vor den venezolanischen Regionalwahlen im November sehen sich die Gegner von Präsident Hugo Chávez in die Enge getrieben. Am Mittwoch stoppte die Polizei in Caracas eine Demonstration von Bezirksbürgermeister Leopoldo López und hunderten seiner Anhänger mit Tränengas. Vorwiegend Studierende protestierten gegen eine Entscheidung des obersten Gerichtshofs vom Dienstag, wonach mindestens 272 KandidatInnen wegen Korruptionsverdachts nicht zu den Wahlen zugelassen werden, darunter López.

"Chávez hat Angst vor der neuen Mehrheit, die in Venezuela entsteht", rief López, der Oberbürgermeister der Hauptstadt werden möchte. Auch die im "Foro por la Vida" zusammengeschlossenen Menschenrechtsgruppen bezeichneten die Suspendierungen als verfassungswidrig. Journalist und Exminister Teodoro Petkoff sieht in den Wahlen die Chance für die Opposition, erstmals seit Jahren die Kräfteverhältnisse zu ihren Gunsten zu verschieben. Dazu müsste sie sich jedoch auf Einheitskandidaten für die Gouverneurs- und Bürgermeisterposten einigen, was ihr bislang nur in 13 von 23 Bundesstaaten und 128 von 330 Gemeinden gelungen ist. Petkoff ist dennoch zuversichtlich: "Bis jetzt tritt die Opposition in der Öffentlichkeit viel weniger widersprüchlich auf als die Regierung", sagte er. Auch deshalb hätten die Chavistas, die die Judikative kontrollieren, zu den Suspendierungen gegriffen, so Petkoff.

Neben López sind drei Kandidaten betroffen, die die Bundesstaaten Táchira, Miranda y Anzoátegui für die Rechte zurückholen könnten. In einigen Staaten können sich zudem Dissidenten aus dem Chávez-Lager gute Chancen auf den Gouverneursposten ausrechnen. Hugo Chávez selbst sagte vor Wochen: "Dies sind die wichtigsten Wahlen in der Geschichte Venezuelas." Würde die Opposition gewinnen, "dann haben sie es nächstes Jahr auf mich abgesehen, und dann gibt es Krieg". Letzte Umfragen sehen das bürgerliche Lager bei landesweit bei 30 bis 40 Prozent -- 2004 kam es auf gerade 10 Prozent.

Wirtschaftspolitisch setzt der Staatschef unterdessen auf weitere Zentralisierung. Letzte Woche erließ er per Dekret 26 Gesetze, wozu ihn das Parlament Anfang 2007 für 18 Monate ermächtigt hatte. Dadurch wolle Chávez einige Bestimmungen, die seinem Ende 2007 gescheiterten Verfassungsvorschlag enthalten waren, "wieder hineinschmuggeln", schimpfte sein früherer Mentor Luis Miquilena. So genau beurteilen lässt sich das noch nicht, denn der Wortlaut der Gesetze ist noch nicht bekannt.

Der konservative Verfassungsrechtler Hermann Escarrá fürchtet vor allem eine "größere, fast absolute Machtkonzentration in der Wirtschafts- und Finanzpolitik, ohne Rechenschaftspflicht und ohne Kontrollen", Chávez habe auf "betrügerische Art und Weise" die freie Markwirtschaft durch eine sozialistische Planwirtschaft ersetzt. In seiner TV-Show "Aló Presidente" reagierte Chávez gelassen: "Das sind keine Geheimgesetze. Wer mit einem von ihnen nicht einverstanden ist, soll zum obersten Gerichtshof gehen." GERHARD DILGER

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