Wer genug Punkte hat, kann kommen

DÄNEMARK Arbeitsmarktpolitik nach dem Motto: „Keine freie, aber intelligente Einwanderung“

STOCKHOLM taz | 100 Punkte. Bekommt man die zusammen, öffnen sich auch für einen Nichtskandinavier und Nicht-EU-Bürger die Grenzen nach Dänemark. Man benötigt dann noch den Nachweis einer Krankenversicherung und eines Finanzpolsters von rund 10.000 Euro. Die Ausstellung der erforderlichen Greencard kostet umgerechnet 830 Euro.

Damit hat man auch ohne einen Arbeitsvertrag in der Tasche eine dreijährige Aufenthaltserlaubnis und kann sich selbstständig einen Job suchen. Nach drei Jahren kann die „Greencard“ erst um ein und anschließend um weitere vier Jahre verlängert werden. Stellt man einen Sozialhilfeantrag, wird sie widerrufen.

Die „Greencard“-Ordnung (http://tinyurl.com/yao74ge) wurde von der in Einwanderungsfragen ansonsten äußerst restriktiven konservativ-liberalen Regierung unter dem Motto „keine freie aber eine intelligente Einwanderung“ Ende 2008 eingeführt. Das ihr zugrundeliegende Punktesystem soll einen Anhaltspunkt dafür liefern, ob der Zuwanderer hinreichende Chancen hat, auch tatsächlich eine Anstellung zu finden. Punkte gibt es für Ausbildung, Sprachkenntnisse, Arbeitserfahrung und Alter. Eine gute Ausbildung reicht schon fast für den vollen Pott: 95 Punkte gibt’s für einen Doktortitel einer Uni, die auf der weltweiten Top-100-Ranking-Liste steht. Für eine abgeschlossene Masterausbildung gibt es beispielsweise 60 Punkte, die man dann durch Sprachkenntnisse und Berufserfahrung aufstocken kann. 15 „Jugendpunkte“ bekommt, wer jünger als 34 Jahre ist.

Ist man Krankenschwester, Kindergärtnerin, Elektroingenieur oder übt einen anderen aktuellen Mangelberuf aus, der auf einer speziellen „Positivliste“ aufgeführt ist, bekommt man 10 Bonuspunkte. Und für einen ein- bis dreijährigen Ausbildungsaufenthalt in einem EU-Land gibt es 5 bis 10 Zusatzpunkte wegen voraussichtlich besserer „Anpassungsfähigkeit“ an die dänische Gesellschaft.

Das System erwies sich zunächst als sehr populär. Im Jahr 2010 wurden 3.060 Greencards ausgestellt. Doch bis 2012 sank deren Zahl auf unter 1.000 pro Jahr ab. Eine im Juli 2012 veröffentlichte Studie der Universität Roskilde zeigte, dass 7 von 10 Greencard-InhaberInnen, die sich länger als ein Jahr in Dänemark aufgehalten hatten, keinen qualifizierten Job hatten oder arbeitslos waren. Die sozialdemokratische Arbeitsministerin Mette Frederiksen kündigte im Januar eine Reform des Systems der „internationalen Arbeitskraft-Rekrutierung“ und weniger Bürokratie an: Statt der als Regel genannten Bearbeitungsdauer von 30 Tagen mussten Antragsteller teilweise mehr als eineinhalb Jahre auf eine Entscheidung warten. REINHARD WOLFF