Karadzic-Demo in Belgrad: Jetzt gibts Kloppe!

Dienstagnacht haben sich einmal mehr Nationalisten und Karadzic-Anhänger in Belgrad versammelt. Was sind das für Leute, die dort protestieren?

Gegen die Auslieferung von Karadzic und den "Verräter" Boris Tadic: Nationalisten in Belgrad. Bild: ap

BELGRAD taz Die Kulisse im Zentrum Belgrads ist vertraut: Bärtige, langhaarige Männer mit - trotz der Sommerhitze - Pelzmützen haben sich versammelt. Zu sehen sind Kokarden und schwarze Totenkopffahnen als Symbole der Tschetniks, der serbischen Garde aus dem Zweiten Weltkrieg. Und Plakate mit Fotos der Serbenführers Radovan Karadzic, des wegen Kriegsverbrechen gesuchten Ratko Mladic und von Slobodan Milosevic. Aus den Lautsprechern dröhnen patriotische Lieder.

Von allen Seiten strömen am Dienstagabend Menschen herbei, um gegen die Auslieferung von Radovan Karadzic und den "Verräter" Boris Tadic zu demonstrieren. Die nationalistische Serbische Radikale Partei hat zu dieser Kundgebung aufgerufen, Motto: "Freiheit für Serbien". Statt der erwarteten 100.000 Teilnehmer sind gerade mal 15.000 gekommen.

Vom tagelangen Gerangel mit Rechtsextremen erschöpfte Polizisten schwitzen unter ihren Helmen. Sie schützen das Parlament, westliche Botschaften und McDonalds-Filialen, die üblichen Ziele nationalistischer Hooligans. Die Demonstranten verstehen die Welt nicht mehr - unter Slobodan Milosevic hat die Polizei der Verherrlichung des Serbentums gedient und prowestliche Demos brutal niedergeschlagen. Nun folgt die Polizei den Befehlen der Verräterregierung, die für eine Handvoll Euro alles Serbische vernichten möchte, und geht gegen Patrioten vor. "Wollt ihr auf das serbische Volk einschlagen, ihr Hunde?", schreit ein Mann den Polizisten vor Präsident Tadic Amtssitz zu.

Um 19 Uhr beginnt die Kundgebung. Zahlreiche Redner treten auf, sie fordern die Freilassung des "größten lebenden Serben", Radovan Karadzic, und kündigen an, die verräterische prowestliche Regierung bis zum letzten Atemzug zu bekämpfen. Geschlagene drei Stunden dauern die patriotischen Ansprachen. Die Stimmung unter den meist ärmlich gekleideten, müden Menschen flaut sichtlich ab, der Applaus wird schwächer. Erschöpft sitzt eine Frau auf dem Bürgersteig. Sie ist enttäuscht, dass so wenige Serben gekommen sind, obwohl die Marionetten des Westens "mit der Auslieferung Karadzic das Serbentum vernichten wollen".

Gegen 22 Uhr kommt Bewegung in die Menge. Etwa zweihundert Jugendliche versammeln sich an einer Kreuzung. "Geh nicht weg, jetzt wirds endlich spannend", sagt einer von ihnen. Auf die Frage, was denn geschehen soll, sagt der Siebzehnjährige begeistert: "Jetzt gibts Kloppe." Wer verhauen werden soll? "Die Polizei." Warum? "Weil sie die Verräter beschützen und Radovan verhaftet haben." Was soll das bringen? "Na was denn schon, Kloppe eben!"

Kurz darauf greifen die meist Minderjährigen mit Steinen die Polizei an. Die antwortet mit Gummigeschossen, Tränengas und Schlagstöcken. In der nächsten Stunde werden 70 Menschen verletzt, zahllose Schaufenster eingeschlagen, Verkehrsschilder und Mülltonnen demoliert.

Für die Hooligans ist die Schlägerei mit der Polizei ein Sport, jeder Anlass ist willkommen. Durch die Hassreden nationalistischer Politiker fühlen sie sich zusätzlich angespornt. Es sind Schulferien, Geld für Sommerurlaub haben sie nicht. Ebenso wenig wie eine Perspektive in diesem ruinierten Land, einem fruchtbaren Umfeld für radikale nationalsozialistische Demagogen. ANDREJ IVANJI

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