Karadzic an Haager Tribunal ausgeliefert: Die Anhörung des Kräuterheilers

Am Donnerstag wird der frühere bosnische Serbenführer Radovan Karadzic erstmals vor das Haager Kriegsverbrechertribunal treten. Er wird wohl auf Freispruch plädieren.

Alle Proteste seiner Anhänger haben nicht gewirkt: Am Mittwoch wurde Karadzic ausgeliefert. Bild: ap

Am Donnerstag wird der wegen Kriegsverbrechen angeklagte frühere bosnische Serbenführer Radovan Karadzic erstmals vor dem Haager Tribunal auftreten. Das Internationale Kriegsverbrechergericht ordnete Karadzic Erscheinen für 16 Uhr an. Der 63-Jährige soll sich dann zu den Anklagevorwürfen äußern können. Die Anhörung leitet der niederländische Richter Alphons Orie.

Karadzic wird im Wesentlichen vorgeworfen, für die 43-monatige Belagerung Sarajevos im Bosnienkrieg und den Mord an mehr als 8.000 bosnischen Muslimen in der UN-Enklave Srebrenica verantwortlich zu sein. Nach Angaben seines Anwalts Svetozar Vujacic wird der Psychiater und Kräuterheiler, der sich im Untergrund mit langem Bart und wallendem Haar tarnte, auf Freispruch plädieren, zu den einzelnen Anklagepunkten aber nicht Stellung nehmen. Seine Verteidigung will er angeblich selbst übernehmen.

Die Regierung in Belgrad hatte Karadzic am Mittwoch an das Tribunal in Den Haag überstellt. Neun Tage nach seiner Festnahme in Belgrad wurde Karadzic in das UN-Gefängnis für Kriegsverbrecher in Scheveningen gebracht, nachdem er in der Nacht mit einem Flugzeug aus Serbien nach Rotterdam geflogen worden war. Die Weiterbeförderung nach Scheveningen erfolgte mit einem Hubschrauber. Karadzic ist der 44. Serbe, der sich vor dem Gericht verantworten muss. Sein Anwalt Vujacic räumte am Mittwoch ein, dass er nie Einspruch gegen die Überstellung von Karadzic erhoben habe. Die tagelange Ungewissheit darüber habe die Auslieferung verzögert.

UN-Chefankläger Serge Brammertz kündigte eine Überarbeitung der Anklageschrift an, sodass bis zum Prozessbeginn noch "mehrere Monate" vergehen würden. Die Angelegenheit sei "komplex", sagte Brammertz. Er lobte die serbischen Behörden für ihre Zusammenarbeit mit dem UN-Kriegsverbrechertribunal. Die Festnahme von Radovan Karadzic sei eine "große Errungenschaft", dafür gebühre Serbien "alle Anerkennung". Allerdings kündigte der Chefankläger an, dass er zunächst keinen neuen Bericht über die Zusammenarbeit Belgrads mit dem Haager Tribunal verfassen werde, da noch immer zwei gesuchte Kriegsverbrecher flüchtig seien.

Solange Karadzic frühere rechte Hand Ratko Mladic und der frühere Serbenführer in Kroatien, Goran Hadzic, nicht gefasst seien, "können wir unser Mandat nicht vollständig erfüllen", sagte Brammertz. Das UN-Kriegsverbrechertribunal soll seine Arbeit bis zum Jahr 2010 abschließen. Die vollständige Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal ist Bedingung für eine weitere Annäherung Serbiens an die EU.

Die französische EU-Ratspräsidentschaft erklärte in Brüssel denn auch prompt, die Auslieferung sei eine "wichtige Etappe im Prozess der Aussöhnung auf dem westlichen Balkan und der Annäherung Serbiens an Europa. Serbien müsse diesen Weg weiterverfolgen und Mladic und Hadzic festnehmen.

Auch die Bundesregierung begrüßte die Überstellung. Sie sei "ein weiteres Zeichen dafür, dass Präsident Boris Tadic und die neue Regierung ihre Zusagen einhalten und sich daran messen lassen wollen", sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.