Der demokratische US-Kandidat in Nahost: "Obama weiß, was leiden heißt"

Bei den Präsidentschaftswahlen in den USA hofft der palästinensische Wissenschaftler Samir Awad auf den Demokraten. Republikaner McCain ist für ihn ein Mann des Militärs

Barack Obama auf seiner Nahostreise in Sderot, Westisrael Bild: ap

taz: Herr Awad, Barack Obama, der vermutlich künftige Präsident der USA, hat am Mittwoch Ramallah im Westjordanland besucht. Haben die Palästinenser ihn willkommen geheißen?

Samir Awad: Vorläufig wissen wir nicht, ob er die Wahlen gewinnen wird.

Wen würden die Palästinenser wählen?

John McCain hat sich in der Vergangenheit nicht gerade als Freund der Palästinenser präsentiert. Auch Obama hat einen Fehler gemacht, als er von der Unteilbarheit Jerusalems als jüdische Hauptstadt gesprochen hat, wobei er anschließend einen Rückzieher machte. Obama ist erklärter Befürworter der Zwei-Staaten-Lösung mit Jerusalem als Hauptstadt von Israel und Palästina, währen McCain in der Sache hartnäckig geblieben ist. Letztendlich müssen Israel und die Palästinenser darüber entscheiden.

Wie wichtig ist es für die Palästinenser, wer im Weißen Haus sitzt?

Es ist schon wichtig für uns. Obama würde einen bedeutenden internationalen Status genießen und die immense Macht seines Büros. Ich glaube wirklich, dass er sehr einfühlsam das Recht Israels auf Selbstverteidigung versteht und gleichzeitig die Sehnsucht der Palästinenser, in Würde und Selbstbestimmtheit zu leben. Er hat sofort auf den (Bulldozer-) Anschlag in Jerusalem reagiert und ihn verurteilt, genauso wie unser Präsident Mahmud Abbas.

Sehen Sie Licht am Ende des Tunnels nach der Ära George W. Bush?

Bush war nicht sehr beliebt unter den Palästinensern. Er ist keiner, der einen Zugang zu den Menschen findet, keiner, der zuhören kann und entsprechend reagiert. Demgegenüber ist Obama ein ausgesprochen eloquenter Redner und zudem Afro-Amerikaner, das heißt, dass er versteht, was es heißt, zu leiden. Bei McCain hätte ich Bedenken, dass er als Mann des Militärs auf die Idee kommt, man könne die Probleme mit Gewalt lösen.

Die derzeitige US-Regierung hat Israel wiederholt dazu aufgefordert, den Siedlungsbau vor allem in Ost-Jerusalem einzustellen. Sie hat offenbar keinen allzu großen Eindruck damit hinterlassen. Glauben Sie, dass das Weiße Haus einen schärferen Ton anschlagen sollte?

Ich glaube, dass die israelische Regierung spürt, dass die Amerikaner es nicht wirklich ernst meinen, wenn sie gegen die Siedlungen auftreten. Deshalb wird weitergebaut - sowohl die Siedlungen als auch die Mauer - und nichts passiert. Wenn die USA wirklich etwas ändern wollten, müssten sie mit klaren Sanktionen drohen. Die Analyse internationaler Politik zeigt, dass Israel der us-amerikanischen Führung folgt, sobald es ernst wird.

Warum warten immer alle auf die USA, wenn es um Nahost-Politik geht? Dabei war beispielsweise die jüngste ägyptische Vermittlung sehr erfolgreich, als es um einen Waffenstillstand für den Gazastreifen ging. Worauf warten die arabischen Staaten?

Die arabischen Staaten kalkulieren zunächst die Konsequenzen einer Einmischung. Akut steht Irak und der Libanon auf der Agenda, dann noch Gaza und das Westjordanland, das ist alles ein bisschen viel. Ich glaube, dass stattdessen die Europäische Union aktiver werden und die Politik im Nahen Osten mitbestimmen sollte, anstatt nur die Rechnungen zu begleichen, die die USA ihr auf den Tisch legen. Das Problem ist, dass sich die europäischen Staaten untereinander nicht immer einig sind und dass sie weder über eine Polizei- noch eine militärische Gewalt verfügen. Sie können nicht wie die USA ihre Politik anderen Staaten mit Gewalt aufzwingen.

INTERVIEW: SUSANNE KNAUL

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