Senioren: Altenheime sterben weg

Der christliche Verein Schrippenkirche macht sein Altenheim im Wedding dicht: Es sei nicht mehr rentabel, so die Begründung. Angehörige werfen dem Verein Profitgier und unnötige Härte vor.

Der neu gebaute Springbrunnen plätschert vor sich hin. Dichtes Grün und Blumen umgeben den angelegten Teich, auf dem Seerosen schwimmen. Steinbänke und Sitzgruppen laden zum Ausruhen oder Klönen ein. Im Wintergarten befindet sich der geräumige Speisesaal mit freiem Blick auf den Garten. Die Senioren sitzen an Gruppentischen, es ist Nachmittagskaffee. Einige Angehörige sind zu Besuch - in einem Altenpflegeheim mitten in Berlin. Doch mit dem Stadtidyll soll es für die Bewohner und Mitarbeiter des Altenpflegeheims Ackerstraße in Wedding bald vorbei sein. Das Heim des Vereins Schrippenkirche soll zum Ende des Jahres geschlossen werden.

Bewohner und deren Angehörige sind darüber sehr unzufrieden. Der Verein habe sich von den alten Zielen der Schrippenkirche, für arme Menschen da zu sein, abgewendet, sagt Irmgard Maenner. Ihre 84-jährige, demente Mutter zog am 15. Mai in das Altenpflegeheim, eine Woche bevor der Verein die Schließung entschied. "Jetzt geht es nur noch um Geld", sagt Maenner.

Hintergrund der Vorwürfe: Das Gebäude, in dem sich das Heim befindet und das dem Verein Schrippenkirche gehört, soll in ein sogenanntes Integrationshotel umgewandelt werden. Dort sollen Behinderte arbeiten. Für das Projekt sucht die Schrippenkirche noch Investoren, erklärt Reinhardt Burghardt, Geschäftsführer des Vereins und Heimleiter. Die Schließung des Altenheims sei notwendig, um den Verein zu retten. "Das Altenpflegeheim ist wirtschaftlich nicht mehr zu betreiben. Es gibt immer mehr Konkurrenz von großen privaten Trägern", sagt er. Zudem habe man bisher etwa 90 Prozent der Heimbewohner durch Krankenhäuser vermittelt bekommen, doch dies sei seit anderthalb Jahren kontinuierlich weggebrochen. "Wir bekommen die Pflegeplätze einfach nicht mehr belegt", so Burghardt. Auf der Mitgliederversammlung Ende Mai dieses Jahres sei die "Notbremse" gezogen worden. "Niemand ist glücklich mit dem Beschluss, auch wir als Heimleitung und Mitglieder des Vereins nicht." Der gemeinnützige Verein steht in einer 126-jährigen christlichen Tradition, sich um bedürftige Menschen in Not zu kümmern.

Den derzeitigen Heimbewohnern wurde im Zuge der Schließung ein anderes Altenpflegeheim in der Schwyzer Straße in Wedding als Ausweichmöglichkeit angeboten. Für die Angehörige Maenner ist das unzumutbar: "Eine Veränderung der Lebenssituation bei alten, dementen Leuten wirkt sich katastrophal aus", beschwert sie sich. "Allein die Tatsache, dass kurz vor der Entscheidung über die Schließung noch neue Bewohner aufgenommen wurden, finde ich einfach untragbar."

Der Heimleiter sieht das naturgemäß anders: "Ein Umzug in diese Pflegeeinrichtung wird natürlich von der Heimleitung bezahlt. Entscheidet sich der Bewohner aber für ein anderes Heim, so muss er die Kosten selbst tragen", erklärt er. Die meisten Bewohner hätten dieses Angebot auch bereits angenommen.

Auch für die Mitarbeiter hätten Arbeitsplätze in anderen Einrichtungen zu gleichen Bedingungen gefunden werden können, so Burghardt. Ob sie das Angebot annehmen, müssten sie allerdings selbst entscheiden.

Die Betroffenen können nicht verstehen, warum sie ausziehen müssen - und fühlen sich machtlos: "Wir fühlen uns hier sehr wohl. Und nun sollen wir den Garten und das Heim hier nicht mehr sehen dürfen", bedauert die 84-jährige Anna Maenner. Sie und ihre Mitbewohner müssen, wie aus einem Brief an die Angehörigen hervorgeht, bis zum 31. Dezember ausgezogen sein.

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