Steuerprivileg für Dienstwagen: Heiligschtes Blechle

61,9 Prozent aller Auto-Zulassungen sind Dienstwagen. Und damit steuerbegünstigt. Nicht mehr lange, meint der Bundesumweltminister. Wetten, dass die Autoindustrie tobt?

"Mein Haus, das Auto meiner Firma, mein Boot": Der VW Touran gehört zu den meistbestellten Dienstwagen Bild: ap

BERLIN taz Da hat eine Freundschaft einen Knacks bekommen. "Ich habe gesagt, E-Klasse hin oder her, wenn sie jetzt nicht langsamer fährt, steige ich aus." Sandra H. ist wütend. Ihre Freundin hatte sie mit auf eine Party genommen, fuhr dann viel zu schnell und redete dabei unablässig über ihr Auto: eine "E-Klasse", Mercedes. "Dabei gehört die Karre ihr noch nicht einmal. Das ist doch bloß ein Dienstwagen, habe ich ihr gesagt." Seither schweigt die Freundin eisig.

Sandra H. hat etwas missverstanden. Die "E-Klasse" ist nicht bloß ein Dienstwagen, sie ist sogar ein Dienstwagen. Wer von seinem Unternehmen einen Dienstwagen bekommt, fühlt sich damit vor der Masse der Privatautoeigentümer ausgezeichnet. Der Dienstwagen ist die Blech gewordene Wertschätzung des Arbeitgebers. Weil sich in diesem Blech nicht nur der Fahrer, sondern auch der Ruf der Firma spiegeln soll, sind Dienstwagen stets sehr neu und sehr gepflegt.

Die neuesten Autos auf den Autobahnen sind mittlerweile zum großen Teil Dienstwagen. Während der Privatautomarkt in Deutschland schwächelt, wächst die wirtschaftliche Bedeutung des Dienstwagens. 2001 wurden laut Kraftfahrt-Bundesamt erstmals über 50 Prozent der Autos auf gewerbliche Halter zugelassen. 2007 waren schon 61,9 Prozent der PKW-Neuzulassungen gewerblich, nur noch 38,1 Prozent der Autos privat gekauft.

Nicht alle gewerblichen Zulassungen sind allerdings Dienstwagen: die "Tageszulassungen" etwa, bei denen ein Auto ganz kurz angemeldet wird, um dann günstig als Gebrauchtwagen verkauft zu werden. Da auch Dienstwagen meist nach etwa drei Jahren weiterverkauft werden, ist ihr Anteil am Gesamtbestand der Autos nicht ganz so hoch. Der aufs Thema spezialisierte Informations-Dienstleister Dataforce schätzt, dass 3,5 Millionen der 46 Millionen Autos in Deutschland steuerlich absetzbare Dienstwagen sind.

Doch wachsen die Firmenflotten laut Dataforce Jahr für Jahr um über drei Prozent. In den Genuss eines Dienstwagens kommen längst nicht mehr nur Führungskräfte, sondern auch "breite Mitarbeitergruppen", hat die Unternehmensberatung PriceWaterhouseCoopers erhoben. Letzteren werden Dienstwagen gerne auch statt einer Gehaltserhöhung angeboten - das spart Steuern und Sozialabgaben.

Der Bundesumweltminister von der SPD, Sigmar Gabriel, muss es sich also sehr gut überlegen, ob er sich wirklich am Dienstwagen vergreifen will. Seitdem Gabriel orakelt, die steuerliche Abzugsfähigkeit von Dienstwagen an ihren CO2-Ausstoß zu koppeln, beschwören Automarkt-Kenner das Schlimmste.

"Wenn der die Dienstwagen-Regelung ändern will, kann er BMW und VW auch gleich bitten, ins Ausland zu gehen", raunzt Autowissenschaftler Ferdinand Dudenhöffer von der Fachhochschule Gelsenkirchen.

Schließlich ist der gemeine Dienstwagen deutsch: Die fünf wichtigsten Modelle in den Firmenflotten sind VW Passat Variant, Audi A4 Avant, VW Touran, VW Golf und der Audi A6 Avant, so der "Ratgeber Dienstwagenmanagement 2008" des F.A.Z.-Instituts.

Doch hat Gabriel gar nicht den Handelsvertreter im Audi A4 im Blick. Ihm geht es um den selbständigen Unternehmensberater im CO2-Monster, etwa dem Porsche Cayenne. Denn als Dienstwagen werden nicht nur die Firmenflotten gezählt. Auch der Werbefachmann, die Anwältin und der Makler können ihre Autos von der Steuer absetzen. Gut verdienende Freiberufler zahlen einen hohen Steuersatz, deshalb profitieren sie auch besonders von der Möglichkeit, Dienstwagen als Betriebsausgaben geltend zu machen. Im Effekt bekommt der Makler deshalb seinen 100.000-Euro-Porsche Cayenne fast zum halben Preis - und den Sprit auch, und die Garagenmiete noch dazu.

Grundsätzlich können Dinge, die man zum Arbeiten braucht und kauft, von der Steuer abgesetzt werden - das gilt für das Großunternehmen mit seiner Firmenflotte wie für den Anwalt mit seinem Auto. Dafür, dass die Pharma-Mitarbeiterin ihre "E-Klasse" ebenso privat nutzt wie der Makler seinen Cayenne, führen die beiden entweder ein Fahrtenbuch oder zahlen, was wahrscheinlicher ist, die "Ein-Prozent-Steuer". Seit 1996 wird ein Prozent vom Preis des Autos an Steuern gezahlt, damit gilt der Privatnutzen als abgegolten.

Und doch ist die Grenze zwischen Dienstaufwand, der getrost steuermindernd gelten soll, und reinem Privatvergnügen immer umstritten gewesen. Aktuell plant Finanzminister Peer Steinbrück, wegen der Privatnutzung die Mehrwertsteuerersparnis beim Dienstwagen einzuschränken. Der Bundesfinanzhof berichtet vom Werbeunternehmer, der seinen 100.000 DM-Porsche bei einem Jahresumsatz von einer Million DM 1989 nach neun Jahren Prozessierens doch nicht absetzen durfte - der Wagen galt als unangemessen. Als angemessen durchgewunken wurden in ähnlichen Fällen ein Ferrari von 170.000 DM und viele teure Mercedesse.

Die Forderung nach einer ökologischen Grenze für die Abzugsfähigkeit von Dienstwagen zielt daher nicht nur wirtschaftlich ins Herz des deutschen Automarkts. Sie findet rechtlich - bislang - eine Grenze darin, dass der Gesetzgeber dem Unternehmer nicht vorschreiben kann, wie er seinen Gewinn erzielt. Wenn dieser meint, beim Kunden nur im Cayenne vorfahren zu können, ist ihm das schwer auszureden.

Der Kölner Steuerrechtler Joachim Lang, der bundesdeutsche Steuergeschichte geschrieben hat, hält es dennoch nicht für ausgeschlossen, die Steuervorteile für Großkarossen aus Klimaschutz-Gründen zu begrenzen. Lang sagt: "Es bedarf präziser Regeln. Aber es ist möglich".

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