Wahlkampf in Österreich: Der Senkrechtstarter

Kritiker nennen ihn "aalglatt". Aber vielleicht verleiht genau das dem SPÖ-Spitzenkandidaten Werner Faymann das Verhandlungsgeschick, das er als Infrastrukturminister schon bewiesen hat.

Er soll's nun richten: SPÖ-Chef und -Spitzenkandidat Werner Faymann Bild: ap

Der steile Aufstieg des Werner Faymann begann im Mai. Da setzte der für Verkehr zuständige österreichische Infrastrukturminister ein Gesetz außer Kraft, das das Aufstecken der Nationalflagge Fahrzeugen von Vertretern der Republik vorbehält. Kurz vor der Fußball-Europameisterschaft hatte sich das Boulevardblatt Kronen-Zeitung, das billigen Patriotismus immer hochhält, über diese Einschränkung empört. Seine Entscheidung trug Faymann Lobeshymnen auf dem Titelblatt ein.

Schon als junger Chef der Wiener Mietervereinigung und als Wohnbaustadtrat in Wien verstand es der smarte Politiker, sich durch großzügige Anzeigenvergabe nahezu tägliche Auftritte im populären Massenblatt zu verschaffen. Sein Verhältnis zum 87-jährigen Herausgeber Hans Dichand ist legendär. Faymann hat "Onkel Hans" mehrmals auf Urlaubsreisen nach Italien begleitet.

Der Ex-Juso, der 1981 bis 1987 als Landesvorsitzender der Wiener Sozialistischen Jugend fungierte, gehört zur Seilschaft von Kanzler Alfred Gusenbauer, teilt aber nicht dessen kopflastigen Politikzugang. Faymann hat sich immer durch zielorientierte Aktion und weniger durch ideologischen Diskurs hervorgetan. Seine Kritiker sehen ihn als gesinnungslos und aalglatt. In der eben gescheiterten Koalition mit der ÖVP hatte er die Aufgabe, mit seinem ÖVP-Pendant Josef Pröll für glatte Abläufe zu sorgen und Streitigkeiten zu schlichten.

In seiner kurzen Regierungstätigkeit hat er es immerhin geschafft, einen Kompromiss für den seit mehr als einem Jahrzehnt von Niederösterreich blockierten Bau des Semmering-Eisenbahntunnels zu finden. Die Verbindung zur Steiermark soll jetzt über eine längere, aber weniger umstrittene Trasse geführt werden. In die in mehrere Unternehmen zerschlagene Österreichische Bundesbahn konnte er etwas Ruhe bringen.

Als Faymann vor drei Wochen seinen Freund Gusenbauer als Parteichef beerbte, zweifelten viele an seiner Fähigkeit, dem Koalitionspartner die Zähne zu zeigen. Doch der neue Mann wurde auch dieser Aufgabe gerecht. Anders als Gusenbauer wich er in der gerade brodelnden Pensionsdebatte keinen Millimeter zurück. Kurz darauf verfasste er jenes Schreiben, das den Bruch provozierte. In einem von Gusenbauer mitunterzeichneten Brief an den Krone-Herausgeber verkündete er, dass die SPÖ auf die EU-kritische Linie der Krone einschwenken werde.

Der Applaus der Leser folgte auf dem Fuße. Durch das Ende der Koalition wurde die Ernennung Faymanns zum SPÖ-Kanzlerkandidaten beschleunigt. Er hat die schwere Aufgabe, seine Partei über den Sommer aus dem Umfragetief zu holen.

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