Kommentar Hauptschulen: Von Brandenburg lernen

Baden-Württemberg sollte sich von der Hauptschule verabschieden, wie es andere - sogar CDU-regierte - Länder schon getan haben.

Wenn die Zahl der schulpflichtigen Kinder sinkt, kann das ein kräftiger Motor für Veränderung sein. Auch im Musterland Baden-Württemberg, wo man glaubt, bildungspolitisch immer alles richtig gemacht zu haben, sieht man sich angesichts sinkender Schülerzahlen zu Reformen genötigt. Jetzt soll die Zahl der Hauptschulen drastisch reduziert werden, die Hauptschule als Schulform aber soll bleiben. Ließen die konservative Landesregierung und die ebenso gesinnten Bürgermeister ihren Blick aber schweifen, könnten sie sich an eine fortschrittliche Schulreform machen, die ihren Interessen sogar noch weiter entgegenkäme.

Derzeit behandelt die CDU die Hauptschulen noch wie einen Fetisch: die seien doch gar nicht so schlecht, heißt es, wir brauchen sie. Damit stehen diese Politiker ziemlich einsam da. Die Wirtschaft sagt das Gegenteil, denn bundesweit ergattern nur noch 40 Prozent aller Hauptschüler einen Ausbildungsplatz im Betrieb. Auch Baden-Württembergs Handwerkstag hat für rein praktisch begabte Jugendliche keine Verwendung mehr. Die Schulleiter fordern die Abschaffung dieses Schultyps. Und die Eltern wollen ihren Kindern eine Hauptschulkarriere unter allen Umständen ersparen.

In Flächenländern wie Brandenburg hat man frühzeitig umgedacht. Dort gibt es neben den Gymnasien nur noch sogenannte Oberschulen. In der "Schule für jeden" dürfen die Schüler sogar zusammen unterrichtet werden. In Sachsen und Thüringen, beide fest in CDU-Hand, wurde die Hauptschule gar nicht erst eingeführt. Das zeigt: auch konservative Politiker können sich an fortschrittliche Reformen wagen, wenn sie einfach nur einen Blick auf die Bevölkerungsentwicklung werfen. Denn wenn immer weniger Schüler auf drei Schultypen aufgeteilt werden sollen, müssen zwangsläufig irgendwo Schulen geschlossen werden.

Baden-Württemberg hat schon einmal gezeigt, dass es lernfähig ist. Als die rot-grüne Bundesregierung ihr Ganztagsschulprogramm auflegte, wandelte sich das Land vom vehementen Gegner zum Vorreiter. Diese Chance sollte es auch jetzt nutzen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.