Kommentar Direktflüge China-Taiwan: Neustart auf alten Bahnen

Die Direktflüge zwischen China und Taiwan sind noch kein Durchbruch, eher eine vertrauensbildende Maßnahme.

Als gestern die ersten regulären Direktflüge aufgenommen wurden zwischen der "Volksrepublik" und der "Republik China", wie Taiwans offizieller Name lautet, da war die Freude auf beiden Seiten groß. Denn damit fallen für Reisende die zeitraubenden und kostspieligen Zwischenlandungen in Hongkong oder Macau weg, die nötig waren, um die Meeresstraße von Taiwan zu überqueren.

Nach fast 60 Jahren der Spaltung bewegen sich Peking und Taiwan politisch wieder aufeinander zu. Ein Durchbruch im Streit um den Status des de- facto unabhängigen, aber von Peking als abtrünnige Provinz betrachteten Inselstaats sind die Direktflüge jedoch nicht. Nur eine vertrauensbildende Maßnahme für einen Neustart der Beziehungen, bei dem die bisherigen Knackpunkte zunächst ausgeklammert bleiben.

Taiwans neuer Präsident Ma Ying-jeou, seit Mai im Amt, stößt in Peking auf mehr Gegenliebe als sein Vorgänger Chen Shui-bian, der mit der Unabhängigkeit liebäugelte. Ihm hatte Peking aus ideologischen Gründen pragmatische Zugeständnisse verweigert. Anders als Chen, will Ma durch eine wirtschaftliche Normalisierung ein Umfeld schaffen, das die Lösung der Statusfrage wenn schon nicht ermöglicht, so zumindest das gesamte Problem entschärft.

Bisher können beiden Seiten gut mit dem Status quo leben. Allerdings verschiebt sich, durch Chinas wachsendes Gewicht in der Welt, die Machtbalance zugunsten Pekings. In Taiwan hat sich längst eine eigene Identität entwickelt, doch immer weniger Staaten erkennen die Insel diplomatisch an - zurzeit sind es noch 23.

Nur den Status quo beibehalten zu wollen, dürfte auf Dauer also keine realistische Option sein. Die wirtschaftlichen Verbindungen zu stärken und Vertrauen aufzubauen, kann das Risiko eines militärischen Konflikts verringern, sofern Taiwan dabei nicht in zu große Abhängigkeit von der Volksrepublik gerät. Ob sich dies überhaupt verhindern lässt, wird sich zeigen. Denn letztlich hat Taiwan keine Alternative zu einem pragmatischen Kurs gegenüber Peking.

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Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin

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