Start der Tour de France: Epo war gestern

Nach der Endzeitstimmung der letztjährigen Skandale soll die traditionsreiche Radrundfahrt durch Frankreich 2008 wieder "genauso sein wie immer". Aber wo bleiben die Stars?

"Keine Klasse, um die Massen zu begeistern": Favorit Cadel Evans Bild: AP

Der Tour-de-France-Tross glich einem Trauerzug, als er sich in den letzten Tagen der Frankreichrunde des Jahres 2007 in Richtung Paris wälzte. Der Führende des Rennens, Michael Rasmussen, war ebenso in Schande davongejagt worden wie der zweifache Etappensieger und Mitfavorit Alexander Winokurow. Der Name des neuen Leaders, Alberto Contador, tauchte in den Akten des größten Dopingskandals in der Geschichte des Profisports auf. Der Glaubwürdigkeitsverlust eines der größten Sport-Events der Welt schien irreparabel.

Mit dem Abstand von einem Jahr stellten sich die Abgesänge und die apokalyptischen Töne, die man in jenen Tagen hörte, dann jedoch als voreilig heraus. Längst rollen die Räder wieder und bei den Profiradrennen dieses Frühjahrs standen genauso viel Fans am Straßenrand wie eh und je. Das Gleiche wird von der am Samstag in der Bretagne beginnenden Tour 2008 erwartet: "Es wird genauso sein wie immer", prognostiziert Phillipe Le Gars, Redakteur bei der französichen Sportzeitung LEquipe. Kein Hauptsponsor hat sich seit vergangenem Jahr von der Tour zurückgezogen und drei Tour-Teams, CSC-Saxo, Garmin-Chipotle sowie der T-Mobile-Nachfolger Highroad-Columbia konnten in den vergangenen Wochen sogar neue Hauptförderer präsentieren.

Der Radsport und die Tour sind noch lange nicht am Ende. Ganz beim Alten sind die Dinge aber auch nicht. Das Ringen um ein besseres Image hat die Institutionen des Sports nicht etwa geeint, sondern in eine unansehnliche Schlammschlacht gestürzt. Der Pariser Veranstalter Amaury Sports, Herr über die Tour sowie ein halbes Dutzend weiterer Radsport-Klassiker, und der Weltverband UCI machen sich gegenseitig für die Dopingkrise des Radsports verantwortlich. Sie werfen einander Sand ins Getriebe, wo sie nur können. "Der Streit zwischen UCI und ASO", sagt Gerolsteiner-Chef Hans Michael Holczer, "ist mittlerweile das größte Problem des Radsports, weit größer noch als das Doping selbst."

Die ASO wirft der UCI vor, vorsätzlich die Publikation der Dopingfälle Rasmussen und Patrick Sinkewitz, die dem Verband schon lange vor der vergangenen Tour bekannt waren, mitten ins Rennen gelegt zu haben, um die mächtige Tour de France zu torpedieren. Dahinter vermutet Tour-Chef Christian Prudhomme eine Intrige des noch immer mächtigen ehemaligen UCI-Präsidenten Hein Verbruggen, dem Prudhomme unterstellt, die Tour entwerten zu wollen, um sie dann zum Dumpingpreis an sich zu reißen. Der rechtmäßige UCI-Präsident Pat McQuaid hält solche Theorien indes für hanebüchen und wirft Prudhomme vor, mit seiner Organisation einen Gegen-Verband aufziehen zu wollen und somit die Einheit des Sportes zu gefährden.

Gänzlich abwegig ist es nicht, dass die Tour ausscheren möchte. So wird die Frankreich-Runde nach einem Clash der ASO mit der UCI während des Frühjahrsrennens Paris-Nizza in diesem Jahr erstmals nicht unter der Hoheit des Weltverbandes ausgetragen. Die Dopingkontrollen und Aufgaben wie die Delegation von Rennrichtern werden vom französischen Verband FFC vorgenommen, der sich damit gegen seinen Dachverband stellt und auf die Seite der ASO schlägt. Gebilligt wird dieser französische Sonderweg von Staatspräsident Nicolas Sarkozy persönlich.

Auslöser für die Eskalation war nicht zuletzt die Weigerung der ASO, die Skandalmannschaft Astana einzuladen, die nach UCI-Richtlinien das Startrecht bei der Tour gehabt hätte. Prudhomme wollte jedoch mit einer Formation, die ihm zweimal hintereinander sein Rennen durcheinander gewirbelt hatte - 2006 war es die Astana-Vorgänger-Mannschaft Liberty Seguros, die durch ihre Verwicklung in die Operación Puerto für Ärger sorgte -, keinen Ärger mehr haben, auch wenn das Astana-Personal mittlerweile komplett ausgewechselt wurde. "Astana ist aus der Asche einer teuflischen Mannschaft erstanden", rechtfertigte er seine Unnachgiebigkeit.

Die Hartnäckigkeit des Tour-Bosses hat nun zur Folge, dass die Tour de France ohne Stars auskommen muss. Auf der Lohnliste des kasachischen Industrie-Konglomerates stehen nämlich der Tour-Vorjahressieger und diesjährige Giro-dItalia-Gewinner Alberto Contador, der Vorjahres-Dritte Levi Leipheimer sowie der deutsche Tour-Zweite des Jahres 2004, Andreas Klöden. Astana-Direktor Johan Bruyneel, früherer Chef des Armstrong-Teams Discovery, findet deshalb, die Tour habe sich selbst geschadet: "Die Fans wollen Stars haben." Fahrern wie dem Australier Cadel Evans, 2007 Zweiter hinter Contador und nunmehr aussichtsreichster Sieganwärter, spricht Bruyneel das Charisma und die Klasse ab, um die Massen zu begeistern.

Schlimmer als ein Sieg von Evans wäre für die Tour jedoch ein Sieg des Spaniers Alejandro Valverde, der wie der Australier zum engeren Kreis der verbliebenen Favoriten gehört. Gegen Valverde liegen laut Berichten spanischer Zeitungen in den noch immer unveröffentlichten Akten der spanischen Staatsanwaltschaft schwer belastende Tatbestände vor, die nur der Offenlegung durch einen tüchtigen Reporter harren. So könnten sich im schlimmsten Fall in diesem Jahr auf verhängnisvolle Weise die Vorkommnisse des Vorjahres um den Dänen Michael Rasmussen wiederholen.

Anders als in Deutschland, wo das Radsportinteresse seit dem vergangenen Jahr auf dem Nullpunkt angelangt ist, sieht man in Frankreich jedoch trotz allem der Tour optimistisch entgegen. "Wir wollen an den Radsport glauben", sagt Journalist Phillipe Le Gars und fügt an, dass man in mehr als 100 Jahren Tour-Geschichte schließlich schon viele Höhen und Tiefen erlebt habe. Daran, dass der Radsport nicht hundertprozentig ehrlich und redlich ist, habe man sich deshalb schon lange gewöhnt. Aber es habe sich auch gezeigt, dass der Sport nicht völlig hoffnungslos sei und dass es immer irgendwie weitergeht. Und warum sollte sich das nun plötzlich ändern?

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