Leipzigs Flughafen in Zukunft militärisch

Eine Bürgerinitiative fürchtet, dass der sächsische Flughafen zu einem Nato-Luftdrehkreuz ausgebaut wird. Bundesverteidigungsministerium wiegelt ab: Es gehe nur um eine kurzfristige Interimslösung mit zwei Transportflugzeugen

AUS DRESDEN MICHAEL BARTSCH

Große Pläne in Berlin für einen Großflughafen, großer Protest gegen den Ausbau des größten deutschen Luftdrehkreuzes in Frankfurt am Main – vergleichsweise geräuscharm verläuft der Ausbau des Leipziger Flughafens. Zuerst kündigte die Post-Tochter DHL an, hier ihr zentrales Luftdrehkreuz anzusiedeln, dann wurde der Bau der neuen Landebahn angeschoben. Jetzt, fürchtet eine Bürgerinitiative, wird der Flughafen auch noch intensiv militärisch genutzt.

Tatsächlich soll nach Plänen der Nato Leipzig zu einem zentralen Umschlagplatz für Großwaffentransporte und Einsätze im Krisenfall ausgebaut werden. Die Nato braucht dafür fremde Transport-Kapazität: Der russisch-ukrainische Anbieter Ruslan Salis GmbH stellt ab 2006 sechs Maschinen des Typs Antonow AN 124-100 bereit. Entsprechende Verträge müssen nur noch von den beteiligten Nationen ratifiziert werden. Grundlage der Stationierung ist das auf dem Nato-Gipfel 2002 in Prag beschlossene Projekt Strategic Airlift Interim Solution (Salis).

Pfarrerin Dorothea Arndt aus Rackwitz-Podelwitz – gelegen in der östlichen Einflugschneise – warnt vor einer Militarisierung des Flughafens. „Man kann nicht gleichzeitig ‚Dona nobis pacem‘ auf dem Cello spielen und Leipzig zum Nato-Drehkreuz machen“, kommentiert sie die Rolle des scheidenden Oberbürgermeisters Wolfgang Tiefensee (SPD), der sich für die Ausbaupläne stark gemacht hat.

Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums trat gegenüber der taz „überzogenen Befürchtungen“ entgegen: Es handle sich lediglich um eine Interimslösung, die eine „Lücke im strategischen Lufttransportnetz schließen“ soll. Man brauche „gesicherten Zugriff“ auf Transportkapazität. Nicht das Verteidigungsministerium, die Ruslan Salis GmbH habe Leipzig als Standort gewählt. Dauerhaft sollen nur zwei Maschinen hier stationiert werden, so der Sprecher: „Von einem ‚bedeutenden Nato-Umschlagplatz‘ kann überhaupt keine Rede sein.“ Laut Ausschreibung ist das Projekt bis zum Jahr 2012 befristet. Dann soll der vergleichbare Airbus A 400 zur Verfügung stehen. Bis dahin dürften die russisch-ukrainischen Anbieter ein Milliardengeschäft machen. Allein der deutsche Vertragsanteil ist nach Angaben des Verteidigungsministeriums auf drei Jahre festgeschrieben und umfasst jährlich 750 Flugstunden, für die 20 Millionen Euro gezahlt werden.

Auch für die Flughafengesellschaft bedeutet die Standortwahl mehr als nur einen Imagegewinn: Leipzig sieht sich mehr als Frachtdrehkreuz denn als Passagierzentrum. „Wir sind schon seit dem Jahr 2000 technisch in der Lage, derartig große Transportmaschinen wie die Antonows landen zu lassen“, erklärt Sprecher Uwe Schuhart. Auch er versucht, die Kritiker zu beruhigen: „Im Vergleich zur Flugdichte der DHL-Luftpost ist die Mehrbelastung durch die Militärmaschinen gering.“ Auch eine erhöhte Terrorgefahr im Krisenfall kann er nicht erkennen. Flughäfen seien ohnehin hochsensible Sicherheitsbereiche. Ebenso wie das Sächsische Innenministerium betont Schuhart, dass es nicht um Militärflugzeuge handelt und die Stationierung deshalb „zivilen Charakter“ trage.

Das ist freilich Augenwischerei: Selbstverständlich geht es um Transporte militärischen Geräts. „Das Militär entwickelt immer eine Eigendynamik“, warnt Pfarrerin Arndt. Inoffiziell spekuliert der Flughafen darauf, dass aus dem Interimsgeschäft eine Dauerlösung über 2012 hinaus wird. Der Recherchedienst German Foreign Policy sieht auch eine Verletzung des so genannten Zwei-plus-Vier-Vertrags von 1990. Demnach dürfen mit Rücksicht auf russische Interessen ausländische Streitkräfte auf jenem Gebiet, das sich einst DDR nannte, „weder stationiert noch dorthin verlegt werden“. Andreas Kante, Vorsitzender der IG Nachtflugverbot, will solche Passus nutzen: „Wir wollen mindestens die 24-Stunden-Betriebsgenehmigung kippen.“