Kolumne Unser Mann in Roskilde: Traue keinen Frauenstimmen!

Debatten über Marvin Gayes Beitrag zur Kindszeugung, betrügerische Navigationsgeräten und Kinderwägen voller Bierkästen - Donnerstag auf dem Weg nach Roskilde.

Wir fahren über Land. Die Frauenstimme mit dem bestimmenden Unterton weist uns von der Windschutzscheibe her uns Weg, und wir freuen uns, denn es ist ein schöner Weg. Eine schmale, schlanke Straße schlängelt sich durch dänische Landschaften. Ein Meer aus Feldern, dann ein kleines Dorf, kleine, geduckt stehende Häuser mit roten Ziegeln auf dem Dach oder Reet.

Im CD-Autoradio läuft ein Motown-Sampler, und weil wir nichts anderes zu tun haben, nehmen wir den Song von Marvin Gaye zum Anlass, uns zu fragen, wie viele Kinder wohl zu seiner Musik gezeugt worden seien. Und wie viele zu Kuschel Rock, zu den Beatles und den Stones. Eine sinnlose Diskussion, wie wir schnell merken. Was wir lange nicht merkten: die Frauenstimme kennt den Weg nach Roskilde gar nicht. Dabei verlassen wir uns doch auf sie!

Das Auto hält auf dem sauber gerechten Kies des Innenhofs einer großen Bauernhofanlage (wie aus dem dänischen Heimatfilm!). Stolz faselt die Frauenstimme etwas davon, dass wir nun am Ziel sind. Ringsherum ist niemand zu sehen. Da verstehen auch wir: Das Navi hat uns betrogen. Das hier ist nicht das Roskilde-Festival.

Wir wenden. Altmodische, physische Karten (ausgedruckt über Google Maps) helfen uns, den rechten Weg zu finden. So langsam tauchen am Straßenrand die ersten Festivalbesucher auf. Sie sind leicht zu erkennen, denn Festivalbesucher sehen überall gleich aus. Viele tragen Bandshirts, oft haben sie schweres Gepäck dabei, allzumeist grinsen sie vorfreudig. In Dänemark auffällig: Kinderwagen sind hier ein beliebtes Transportmittel für die eigenen Habseligkeiten. Als wir auf den letzten Metern vor dem Festivalgelände im Stau stehen, überholen uns mindestens zwölf Gruppen mit Bierkastentransportkinderwagen. Mensch, wie praktisch. Diese Dänen.

Auf dem Pressezeltplatz ist schon alles bereitet. Für jeden von uns hat jemand ein orangefarbenes Iglu-Zelt aufgestellt. Kaum haben wir unsere Sachen abgeladen, zieht jemand den Festivalplan aus der Hosentasche - und schon flammen hitzige Diskussionen auf, welche Band man sich anschauen muss. Auf sieben Bühnen spielen an vier Tagen über 180 Bands. Natürlich lässt sich nicht vermeiden, dass zwei (oder drei, oder vier) tolle Kapellen gleichzeitig auftreten. Ein altes Problem. Doch im Vergleich zu anderen Festivals ist der Roskilde-Spielplan besonders quälend. Die schwierigste Entscheidung von allen wird am Samstag von uns erwartet: Neil Young oder My Bloody Valentine? Rockikone oder womöglich einmaliges Reunion-Konzert?

Wir vertagen die Entscheidung, denn wir müssen los. MGMT spielen! Und The Gossip! Und Radiohead!

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