Zehntausende Militär-Stellen fallen weg: Frankreich rüstet um

Der französische Präsident Sarkozy hat mit dem neuen "Weißbuch über die Verteidigung" alte Gewissheiten über Bord geworfen. Die Nato-Integration ist das nächste Ziel.

47.000 weniger Soldaten: Französisches Militär in Afghanistan. Bild: dpa

PARIS taz Frankreichs neue Militärdoktrin wirft jahrzehntealte Gewissheiten über Bord: 54.000 Stellen (von insgesamt 320.000) in allen Militärbereichen sollen verschwinden. Die Bedrohungslage hat sich verschoben: auf eine Achse zwischen dem Nahen Osten und Pakistan, die allerdings Afrika und Asien mit einbezieht. Statt Fregatten sollen mehr Spionagesatelliten gekauft werden. Weltweit einsetzbare schnellen Eingreiftruppen stehen im Mittelpunkt. Mehr europäische Militärzusammenarbeit ist angestrebt. Und die komplette Reintegration in die Nato, aus deren militärischer Integration Frankreich 1966 ausgetreten war, ist das nächste Nahziel. In einem zentralen Punkt freilich bleibt alles, so wie im Kalten Krieg: Frankreich behält seine nukleare Abschreckung. Und versteht sie wie eh und je "als ultimative Garantie" für seine vitalen Interessen.

So steht es in dem "Weißbuch über die Verteidigung und nationale Sicherheit", das Staatspräsident Nicolas Sarkozy am Dienstag in Paris vor 3.000 Offizieren und Generälen vorgestellt hat. Frankreich wird danach bis ins Jahr 2020 insgesamt 377 Milliarden Euro für seine Verteidigung ausgeben. Zwar sollen die Militärausgaben in den nächsten fünf Jahren nur inflationsangepasst und erst ab 2012 - in einem Rhythmus von einem zusätzlichen Prozentpunkt pro Jahr - weiter erhöht werden. Aber in einzelnen Militärbereichen werden die Investitionen schon ab 2009 massiv steigen. Dann stehen jährlich 18 Milliarden Euro für die Modernisierung des Militärmaterials zur Verfügung - statt zuletzt 15,5 Milliarden pro Jahr.

Im Inneren des französischen Militärs wird es massive Umstrukturierungen geben. Sowohl bei der Marine als auch beim Heer und der Luftwaffe und bei dem zivilen Personal sollen Stellen abgebaut werden. Manche französischen Garnisonsstädte, die von der Anwesenheit der Militärs und ihrer Familien leben, sind deswegen bereits in heller Aufruhr.

Laut Weißbuch ist die "Welt nicht unbedingt gefährlicher" geworden, wohl aber "instabiler und unvorhersehbarer". Die größten Gefahren gehen von dem "vom Dschihadismus inspirierten Terrorismus" aus. Zu den neuen Gefahren gehören auch "Informatik-Attacken" und "sanitäre und ökologische Krisen". Anders als frühere Weißbücher bezieht sich das vorgelegte nicht nur auf die internationale Situation, sondern ausdrücklich auch auf die innere Sicherheit in Frankreich. Sarkozy möchte einerseits die von Frankreich vernachlässigten internationalen nachrichtendienstlichen Aktivitäten massiv verstärken, andererseits will er die Verteidigungspolitik ins Landesinnere ausdehnen. Das Weißbuch spricht von einer Verstärkung der inneren Sicherheit und der "zivilen Sicherheit".

Sarkozy hat die Arbeit der parlamentarischen und Expertenkommission, die das Weißbuch in den vergangenen zehn Monaten vorbereitet hat, streng unter Kontrolle gehabt. Auch den Verantwortlichen für die intensivierten Spionageaktivitäten nach innen und außen will er in seiner Nähe haben. Das Weißbuch schafft den Posten des "Generalkoordinators für die Nachrichtenbeschaffung". Sarkozy hat dafür bereits einen erfahrenen Mann ausgewählt. Bernard Bajolet, bislang Botschafter in Algerien und zuständig für sensible Missionen zwischen Maghreb und Bagdad, wird sein Büro im Élysée-Palast schon im Juli antreten.

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