Griechenland gegen Russland ausgeschieden: "Wunder wiederholen sich nicht"

Eine ganze Halbzeit rennen die Titelverteidiger auf das russische Tor. Doch mit ihrem Kick-and-rush kommen die Griechen nicht zum Ausgleich. Und im Anschluss macht Rehhagel Theater.

Konnte das Spiel selbst kaum ansehen: Otto Rehhagel. Bild: dpa

SALZBURG taz Am Ende gab es überraschend viel Beifall: Die griechischen Zuschauer ließen kurz vor Mitternacht gar nicht zu, dass sich Tristesse in Wals-Siezenheim zu Salzburg breit machte. Artig stimmte der Anhang ein letztes Mal seine "Hellas, Hellas"-Rufe an, um nach den Spielern zu verlangen. Einige wenige hatten sich deprimiert auf den Rasen gehockt, so wie Sotirios Kyrgiakos, der vereinssuchende Abwehrspieler.

Doch das Gros der Mitspieler ging aufrecht: erst zu den Fans, dann in die Kabine. Offensichtlich kam für die Protagonisten gar nicht so unerwartet, was Experten als überraschend bezeichnen: Griechenland ist nach dem 0:1 gegen Russland, der zweiten Niederlage im zweiten Spiel der Gruppe D, bereits ausgeschieden. Während die Russen sich die Option offen halten, am Mittwoch in Innsbruck durch einen Sieg gegen Schweden noch ins Viertelfinale einzuziehen, ist für Griechenland das Turnier vorbei - ohne ein einziges Tor geschossen zu haben.

Das Spiel gegen Spanien ist lediglich noch eine Frage der Ehre; der Europameister hatte es besonders eilig, aus dem Turnier zu scheiden. Die griechische Presse wird sich bestürzt äußern - insgeheim hatte man von einer Mannschaft mehr erwartet, die immerhin in der Qualifikation stolze 31 Punkte sammelte und nach Ansicht des EM-Helden von vor vier Jahren, Angelos Charisteas, "stärker als die in Portugal" war.

Nur Otto Rehhagel nicht. "Natürlich wollten wir hier besser abschneiden. Nur insbesondere ich als Fachmann habe gewusst, dass wir nicht dreimal 3:0 gewinnen", sagte er anschließend in der Pressekonferenz. "Andere haben schon bittere Niederlagen erlebt und werden auch noch ausscheiden. Italien oder Frankreich - und die sind auch noch besser als wir." Rehhagel wirkte gefasst, als er das sagte.

Er sagte ein, zwei Sätze auf Deutsch und ließ sodann den Dolmetscher sein Werk tun. Doch von Minute zu Minute wurde der Altmeister aufgeregter - und es kam zu einer der skurrilsten Runden dieser Art. Schon die Frage nach der verpassten Titelverteidigung machte "Rehakles" ganz fuchsig: "2004 hat es Wunder gegeben. Dass Griechenland Europameister wird, geschieht nur alle 30 Jahre. Deshalb heißt es ja auch Wunder - wenn es alle 14 Tage wäre, wäre es keines."

Als tatsächlich jemand wagte, den Altmeister nach seinen Perspektiven und Schlussfolgerungen für die Qualifikation zur WM 2010 zu befragen, mutierte der Trainer zum Oberlehrer: "Bevor Sie es ausgesprochen haben, weiß ich, was Sie denken: Ich bin viel älter als Sie. Alles was Sie im Kopf haben, weiß ich längst." Tuscheln im Saal - Rehhagel unter Hochspannung. "Ich werde gleich gehen. Die Akropolis steht seit 3000 Jahren. Wenn wir alle in 200 Jahren nicht mehr sind, steht die immer noch da. Okay, das war's für heute."

Dann stand er auf und ging tatsächlich zur Glastür und zum Mannschaftsbus. Unter anhaltendem Applaus und großen Gelächter. "König Otto" hatte die Audienz zum Abschied zum Theater gemacht.

Immerhin sind ihm zwischendurch auch etliche lobende Worte über den Gegner entfleucht, schließlich waren die Russen giftiger, spritziger, schneller als die Seinen, forscher, frecher, angriffslustiger. "Die Russen sind super", erklärte Rehhagel, "Bayern München und Bayer Leverkusen können das bestätigen." Bei der von Kollege Guus Hiddink glänzend eingestellten russischen Mannschaft, so empfand Rehhagel, "lacht einem das Herz, das sind super Jungs, da werden auch andere noch gucken".

Staunende Statisten waren seine angegrauten Vertrauten vor allem beim Siegtreffer von Konstantin Syrjanow - der Schlüsselszene des Spiels: Wenn ein Torwart herausläuft, muss er den Ball haben. Doch Antonis Nikopolidis erreicht in der 33. Minute den quer von links in seinen Strafraum geschlagenen Ball nicht, rennt trotzdem rechts aus seinem Fünfmeterraum heraus hinter Sergej Semak her, der den Ball elegant per Rückzieher vors Tor schlägt. Dort lauert Syrjanow, eher garniert von den griechischen Verteidigern als bedrängt - und vollstreckt.

Ergebnis: 0:1 (0:1)

Griechenland: Nikopolidis - Seitaridis (40. Karagounis), Dellas, Kyrgiakos, Torosidis - Patsatzoglou, Basinas, Katsouranis - Charisteas, Liberopoulos (61. Gekas), Amanatidis (80. Giannakopoulos)

Russland: Akinfejew - Anjukow, Ignaschewitsch, Kolodin, Schirkow (87. Wassili Beresuzki) - Syrjanow, Semak, Semschow, Biljaletdinow (70. Saenko) - Torbinski - Pawljutschenko

Schiedsrichter: Rosetti (Italien)

Tor: 0:1 Syrjanow (33.)

Gelbe Karten: Liberopoulos, Karagounis / Torbinski, Saenko

Der behäbige Tormann Nikopolidis, an der Algarve noch einer der gefeierten Helden, ist nur einer von vielen, die ihren Zenit unter Rehhagels Regie überschritten haben. Europameister, die nicht mehr mithalten können. Genau wie Nikopolidis sind auch ein Traianos Dellas, ein Angelos Basinas oder (diesmal nur eingewechselter) Georgios Karagounis als tragende griechische Kräfte der Vergangenheit nun mit der Gegenwart überfordert gewesen.

Gewiss, sie haben sich gewehrt, gekämpft, aber sie blieben im Abschluss glücklos - allen voran Charisteas, der Torgarant von 2004. "Wir schießen leider keine Tore", sagte Rehhagel, "das ist nicht erst seit heute bekannt." Und deshalb ist diese Europameisterschaft für Griechenland bereits passé, ehe sie denn überhaupt wirklich begonnen hat.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.