Hartz IV: Farbenschlacht am leeren Buffet

Die Regelsätze für Hartz-IV-Betroffene sind zu niedrig. Die Anhörung im Sozialausschuss des Bundestags wird daran wenig ändern. Erwerbslose protestieren am Montag gegen die Missstände.

Am Montag wird es am Brandenburger Tor zu einer symbolischen Farbattacke auf die Hartz-IV-Vordenker kommen. Denn anlässlich der Anhörung im Bundestagsausschuss Arbeit und Soziales zu Regelsatzerhöhungen von Hartz IV wollen die, die davon abhängig sind, ihre Verärgerung nicht mehr zurückhalten. Unter den Transferempfängern herrschen großer Ärger und Frust über die zunehmende Verarmung und soziale Ausgrenzung, die ihnen zugemutet wird.

Die Anhörung zur Regelsatzerhöhung von Hartz IV findet von 12.30 Uhr bis 13.30 Uhr im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales im Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal 4.900 statt. Die Protestversammlung beginnt um 10 Uhr auf der Westseite des Brandenburger Tors. Es sprechen Sabine Werth von der Berliner Tafel, Erika Biehn von der Nationalen Armutskonferenz und VertreterInnen von Arbeitsloseninitiativen. Um 11 Uhr werfen Erwerbslose aus Berlin, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt mit Farbe auf Doubles von Hartz-IV-verantwortlichen PolitikerInnen.

Seit Einführung von Hartz IV zum 1. Januar 2005 sind die Regelsätze unverändert geblieben. 347 Euro erhält ein erwachsener Haushaltsvorstand seither. 403 Euro wären nach Berechnungen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes (DPW) korrekt gewesen, hätte man die bedarfsrelevanten Güter, die Betroffene brauchen, angemessen zugrunde gelegt.

Die von staatlichen Ersatzleistungen Abhängigen haben seit 2005 durch die Inflation zusätzlich einen Kaufkraftverlust von über 8 Prozent hinnehmen müssen, berechnete der DPW. Im Zuge der Rentenanpassung wird es dieses Jahr nur eine Anhebung der Regelsätze um 1,1 Prozent geben. "Das ist eine Verhöhnung der Betroffenen", findet Edgar Schu vom Aktionsbündnis Sozialproteste.

Gerade solche Dinge, auf die Hartz-IV-EmpfängerInnen nicht einfach verzichten können, haben sich stark verteuert: Lebensmittel und Strom und die Ausgaben für Mobilität. "Seit Jahren verspricht die große Koalition eine Überprüfung der Regelsätze. Nichts ist passiert. Jetzt nimmt man sich gerade mal eine Stunde Zeit, um Sachverständige zum Thema anzuhören. Eine Stunde - ich bitte Sie!", empört sich Peter Grottian, eremitierter Politologieprofessor und Aktivist des Sozialforums Berlin. "Das ist eine Farce. Hartz-IV-Betroffene sind zu Recht wütend."

Ihrer Wut wollen die Erwerbslosen nun bei einer Kundgebung Luft machen. Dazu werden sie großformatige Konterfeis der Vordenker von Hartz IV auf dem Pariser Platz aufstellen. Darunter sind der Exvorstand der Volkswagen AG, Peter Hartz, der ehemalige Arbeits- und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement und andere Vordenker der Agenda 2010 und des Sozialabbaus. Merkel und Schröder - alias "ein Hartz und eine Seele" - werden auch dabei sein, zumindest als Doubles. "Hatz-IV-Verbrecher" nennen die Demonstranten sie. Sie werden sich nicht zurückhalten und die Konterfeis und Doubles mit in rote Farbe getauchten Bällen bewerfen. Mit echten Tomaten will man nicht werfen. Die gebührten echten Politikern. "Zu unserer symbolischen Aktion passen sie daher nicht", so Schu.

Die Anhörung zur Regelsatzanpassung im Bundestag kam auf Betreiben der Oppositionsparteien Grüne und Linkspartei zustande. Sie fordern in ihren Anträgen nicht nur, dass die Regelsätze bedarfsgerecht angepasst werden, sondern dass darauf geachtet wird, die Teilhabechance für von Hartz IV lebenden Kindern und Jugendlichen zu gewährleisten. Vor allem Letzteres wird von den eingeladenen Experten bei der Anhörung unterstützt, selbst wenn sie in ihren Expertisen das System Hartz IV an sich nicht infrage stellen.

Dennoch, "dass Konsequenzen aus der Anhörung gezogen werden, halte ich für sehr unwahrscheinlich", sagt Markus Kurth von den Grünen. Es werde jetzt erst einmal abgewartet, was die derzeit in Auftrag gegebene Verbraucherstichprobe des Statistischen Bundesamtes zutage fördert. Danach werde kräftig ausgewertet. "Vor den Bundestagswahlen im Herbst 2009", prophezeit Kurth, "werden sich die SPD und die CDU in Sachen Hartz IV nicht bewegen."

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