2007 weniger Streiks als im Vorjahr: Deutschland doch keine Streikrepublik

Laut Streikstatistik gingen letztes Jahr 286.000 Arbeitstage durch Streiks verloren - weniger, als Experten erwarteten und viel weniger als etwa in Italien oder Frankreich.

Rund 106.000 Arbeitnehmer haben im vergangenen Jahr gestreikt. Bild: dpa

BERLIN taz Streiks bei Lokführern, im Einzelhandel und bei der Telekom - 2007 schien das Streikjahr schlechthin zu werden. Doch von italienischen oder französischen Verhältnissen ist Deutschland weit entfernt: Im Jahr 2007 gingen rund 286.000 Arbeitstage durch Streiks verloren; 542 Betriebe waren betroffen, rund 106.000 Arbeitnehmer beteiligten sich an den Ausständen. Das geht aus der aktuellen Streikstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) hervor.

Die offizielle Zählung liegt damit deutlich unter Schätzungen von Experten. Das Kölner Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) hatte im Januar 580.000 Ausfalltage prognostiziert. Auch im Vergleich zum Vorjahr fällt 2007 ab: 2006 verzeichnete die BA knapp 429.000 verlorene Arbeitstage. Allerdings zeichnet die Statistik ein ungenaues Bild von der Wirklichkeit. "Viele Streiks werden nicht in die Statistik aufgenommen", sagt Heiner Dribbusch, Gewerkschaftsexperte am Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. In die Tabellen der BA gehen nämlich nur die Arbeitskämpfe ein, an denen pro Betrieb mindestens zehn Leute beteiligt waren und die mindestens einen Tag dauerten. Hinzu kommen all die Streiks, durch die mindestens 100 Tage ausfallen. Das Problem: Warnstreiks dauern etwa nur wenige Stunden - und fallen raus.

Auch die Hürde von zehn Beteiligten ist hoch: Im Einzelhandel streiken beispielsweise seit über einem Jahr die Verkäuferinnen. Für 2007 zählt die Streikstatistik hier 32.000 Ausfalltage und 252 betroffene Betriebe. "Tatsächlich sind wesentlich mehr Einzelhandelsgeschäfte in Streikaktionen einbezogen worden und vermutlich über 100.000 Arbeitstage ausgefallen", sagt WSI-Experte Dribbusch. Der Grund: In Filialen von Supermarktketten wie Penny oder Plus arbeiten weniger als zehn VerkäuferInnen, etliche Streiks melden die Betriebe zudem nicht. Ein weiterer prominenter Streik war 2007 der bei der Telekom. Die Beschäftigten wehrten sich wochenlang gegen die Ausgliederung - und auch hier zeigt die Statistik Schwächen. Sie zählt 2007 knapp 193.000 verlorene Arbeitstage, die Gewerkschaft Ver.di errechnete jedoch rund 500.000 Streiktage.

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