Kommentar Entlassener Deutsch-Afghane: Ergebnis von Schnüffelei

Die Bundesregierung hat etwas aus den Fehlern im Fall Murat Kurnaz gelernt.

Wer wissen will, welche Gefahren ein präventiver Sicherheitsstaat mit sich bringt, kann dies schon heute anhand der USA studieren. Der Wuppertaler Gholam Ghaus Z. wurde bei einem Verwandtenbesuch in Afghanistan festgenommen. Angeblich hatte er versucht, ein US-Militärlager auszuspionieren. Der psychisch angeschlagene Frührentner verstrickte sich in Widersprüche. Deshalb wurde er von US-Kräften monatelang inhaftiert, ihm drohte schon der Transport nach Guantánamo.

Die gute Nachricht ist: In Deutschland gelten andere Maßstäbe. Die Bundesregierung hat sich für die Freilassung von Z. starkgemacht. Er wird in Deutschland jetzt zwar medizinisch untersucht, ist aber ansonsten ein freier Mann.

Für Z. sprach, dass die deutschen Sicherheitsbehörden keinerlei Hinweise auf islamistische Verstrickungen entdeckten. Insofern kann die Schnüffelei von Polizei und Geheimdiensten durchaus mal nützlich sein. Was aber, wenn Z. gelegentlich in einer verdächtigen Moschee gebetet hätte? Auch dies hätte sicher keine Präventivhaft gerechtfertigt. Aber wäre der Einsatz der Bundesregierung dann genauso groß gewesen? Man kann es für Außenminister Steinmeier nur hoffen.

Immerhin arbeitet Steinmeier noch an seiner eigenen Resozialisierung. Denn er trägt die Verantwortung dafür, dass der in Guantánamo festgehaltene Deutschtürke Murat Kurnaz 2002 nicht nach Deutschland zurückkehren konnte - und weitere dreieinhalb Jahre im US-Lager schmoren musste.

Der Fall Kurnaz hat aber auch die deutsche Öffentlichkeit sensibilisiert. Heute ist jedem klar, dass es ein abscheuliches Verbrechen ist, Menschen ohne rechtsstaatliches Verfahren einfach jahrelang einzusperren. Es ist deshalb auch nicht mehr sonderlich mutig, sondern Ausdruck von Common Sense, sich für Betroffene einzusetzen. Deutschland soll sich nicht wie ein Schurkenstaat verhalten. Die Empörung über die USA mag zwar auch aus alten - linken wie rechten - antiamerikanischen Ressentiments gespeist sein. Aber in der Sache ist sie berechtigt und hilft, ähnliche Exzesse in Deutschland zu verhindern.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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