Parteitag der Linkspartei: Bloß kein Streit

Der Parteitag der Linken nimmt Oskar Lafontaines Rede begeistert auf - und beschert ihm bei der Wahl zum Vorsitzenden ziemlich viele Gegenstimmen.

Umstrittener als ihr Ehemann Lafontaine: Christa Müller. Bild: dpa

COTTBUS taz Manche, sagt Oskar Lafontaine, versuchten "Unmut" in die Linkspartei zu tragen. Sie stilisierten ihn zum "Alleinherrscher", ja zum "Stalinisten". Er steht vor 562 Delegierten der Linkspartei, dann hebt er die Stimme und ruft in den Saal: "Wir sind aber ein Team. Wir sind auch die Partei von Lothar Bisky." Alles läuft rund, lautet seine Botschaft.

Pragmatiker und Parteilinke hatten vor dem Parteitag Waffenstillstand vereinbart, der weitgehend eingehalten wurde. Die Machtbalance blieb bestehen. Das Auffälligste: Sahra Wagenknecht, die auf eine Kandidatur für einen der vier Vizeposten verzichtet hatte, wurde mit überragenden 70,5 Prozent in den 44-köpfigen Vorstand gewählt. Sie erhält das beste Ergebnis der Frauen, gefolgt von der Trotzkistin Janine Wissler.

Der Leitantrag, der ein 50-Milliarden-Euro-Investionsprogramm enthält, wird ohne wesentliche Änderungen durchgewunken. DKP-Mitglieder dürfen nur noch bei Kommunalwahlen auf Linken-Listen antreten. Die Stasivorwürfe gegen Gregor Gysi werden zunächst kaum erwähnt. Lafontaines Gattin Christa Müller, die mit ihrer reaktionären Familienpolitik vor allem Ostfrauen verärgert, wird geschont. Sieben Anträge lagen vor, in denen sie persönlich attackiert wurde, verabschiedet aber wird nur eine allgemeine Bekräftigung, dass die Linkspartei zu Kitas und Emanzipation steht. Nur als Müller am Mikrofon ihre Position vertritt, gibt es Buhrufe - der einzige Aufruhr des Wochenendes. Ansonsten geht es bei der FDP chaotischer zu. Bloß kein Streit.

Die programmatische Rede hält Lafontaine, nicht Bisky, der dafür sonst zuständig ist. Die Beschimpfungen der Gegner, von "Kriegsgrünen" und "Neoliberalen", wirken gedämpft. Im Zentrum steht wie immer die Kritik des finanzgetriebenen Kapitalismus. Aber es geht um mehr: Die DDR ist gescheitert, sagt Lafontaine, weil sie "kein Rechtsstaat und keine Demokratie war". Und dass politische Freiheiten und soziale Gerechtigkeit zusammengehören. Für Außenstehende klingt das banal. Im Kode der Linkspartei ist das ein Signal: Viele Realos warfen Lafontaine vor, einseitig auf Sozialpopulismus zu setzen, Bürgerrechte und DDR-Kritik zu vernachlässigen. Diese Rede ist auch ein Friedensangebot.

Lafontaine setzt Pointen, vereinfacht schlau, improvisiert, ohne den Faden zu verlieren. Manche Journalisten, sagt er, behaupteten, dass "wir kein Programm haben, aber sie schreiben auch, dass andere Parteien unser Programm übernehmen. Beides zusammen geht aber nicht." Der Parteitag rast vor Applaus. Später verweist er auf einen Flyer mit 100 Forderungen, recht wahllos aneinandergereiht. Parteiprogramme, soll das heißen, sind nicht so wichtig, Erfolge sind wichtig.

Bei der Wahl stimmen nur 78,5 Prozent für Lafontaine, fast 10 Prozent weniger als beim Gründungsparteitag, und fast 3 Prozent weniger als für Bisky. Lafontaine hat zu viele Ostpragmatiker spüren lassen, was er von ihnen hält: nichts. Gysi, der zum Abschluss spricht, verteidigt ihn dennoch: "Wir verdanken Oskar Erfolg, den wir ohne ihn nie gehabt hätten", sagt er. Nach der demonstrativen Geschlossenheit des ersten Parteitags müssen auch die Vizes Katja Kipping, Klaus Ernst und Ulrike Zerhau Verluste hinnehmen.

Vor allem die 78,5 Prozent für Lafonatine sind eine Botschaft: Er soll sich nicht einbilden, dass er allein herrschen kann. Solange er Erfolge bringt, wird Ruhe gewahrt. Aber nur so lange.

Gysi sagt zu den Vorwürfen, er sei Stasi-IM gewesen: "Was ich nicht war, räume ich auch nicht ein" - und spricht von einem "Feldzug" gegen ihn. Lafontaine sprang ihm zur Seite: "Wir sind an diesem Tag besonders die Partei von Gregor Gysi."

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