Bericht zur Lage von Kindersoldaten: Demobilisierung im Kongo zu lax

In der Demokratischen Republik Kongo dienen Kinder weiterhin in der Regierungsarmee - trotz internationaler Aufsicht. In den Kriegsgebieten rekrutieren die Milizen Minderjährige .

Zweifelhafte Ehre: Soldaten, kaum größer als ihre Waffe. Bild: dpa

In seinem autobiografischen Roman "Kriegskinder", erschienen 2005, erzählt der ehemalige kongolesische Kindersoldat Josué Mufula, warum er sich 1996 eines Tages um vier Uhr früh mit seinem großen Bruder aus dem Elternhaus in der Stadt Goma schlich, um zu den Rebellen zu stoßen, die Diktator Mobutu stürzen wollten. "Ich hatte im Kopf die Erinnerung an die Prügeleien, Erpressungen und anderen Unterdrückungen, die friedliche Bürger seitens der Armee erlitten hatten. Auf dem Weg beherrschte nun ein Ideal unsere Köpfe: das eines Soldaten, der seinem Land dienen will." Mufulas Idealismus zerschellte schnell an der Realität des Krieges.

Wie er aber haben sich in den letzten zwölf Jahren hunderttausende Kinder im Kongo Bürgerkriegsarmeen angeschlossen - teils aus idealistischen Gründen, teils zwangsrekrutiert, teils zum nackten Überleben.

In der Demokratischen Republik Kongo herrscht jetzt offiziell Frieden, das Land hat eine gewählte Regierung und mit Unterstützung der größten UN-Mission der Welt ist eine neue Armee im Aufbau. Aber immer noch wird in Teilen des Landes gekämpft, und immer noch gibt es Kindersoldaten. Während zwischen 2003 und 2006 rund 30.000 Kindersoldaten aus allen bewaffneten Fraktionen des Landes demobilisiert wurden, blieben 7.000 im Dienst, auch in der neuen international überwachten Armee, kritisiert der neue Weltbericht zur Lage der Kindersoldaten 2008. Schlimmer noch: "Aktive Rekrutierung dauert in einigen Gebieten an."

In einer Provinz wie Nord-Kivu um die Stadt Goma im Osten des Landes, wo Rebellen des Tutsi-Generals Laurent Nkunda gegen Milizen ruandischer Hutu-Generäle kämpfen, andere ethnische Gruppen sich mit eigenen Milizen schützen und die Regierungsarmee das Chaos eher verschärft, verwundert es nicht, dass jede ethnische Gruppe ihre Kinder ins Feld schickt, vor allem, wenn die betreffende Miliz aus Angehörigen und Freunden besteht. Im Vergleich zu den sonst von Kindern ausgeübten schweren Arbeiten ist es sogar ein Privileg, wenn Jungs an der Waffe trainiert werden, sobald sie die Größe eines Gewehrs erreichen.

Doch wenn sogar Regierungsoffiziere Minderjährige an der Front verheizen oder sogar als "Ehefrauen" zur sexuellen Ausbeutung halten, wie es der Kindersoldatenbericht 2008 darlegt, gibt es ein Problem. Die Verantwortlichen sehen diese Kinder nicht als Soldaten, die demobilisiert werden könnten, sondern als Dienstpersonal, über das sie frei verfügen. Obwohl Kongos Regierung alle internationalen Konventionen zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten unterzeichnet hat, schreiten weder staatliche Stellen ein noch die UN-Blauhelmmission oder die EU-Berater bei Kongos Armee. Die wenigen Versuche, das zu tun, werden mit Gewalt verhindert.

Bürokratisches Chaos trägt dazu bei, dass gegen das Kindersoldatentum weniger unternommen wird, als man angesichts der kompletten Abhängigkeit des Kongo von ausländischen Geberländern für möglich halten würde. Jahrelang arbeiteten Weltbank und UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) im Kongo unkoordiniert mit eigenen Demobilisierungsprogrammen nebeneinander. Kongos staatliche Demobilisierungsbehörde Conader, dritter konkurrierender Akteur, stellte aus Geldmangel kurz vor den Wahlen 2006 die Arbeit ein, lange bevor sie abgeschlossen war.

Von 29.291 demobilisierten Kindern hätten daher lediglich 15.167 auch nur die geringsten Wiedereingliederungshilfen enthalten. Besonders für Mädchen, die oft Opfer sexueller Gewalt gewesen sind, ist der Demobilisierungsprozess viel zu oberflächlich, kritisieren Hilfswerke.

Immerhin hat der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag sein allererstes Verfahren, bei dem der kongolesische Milizenführer Thomas Lubanga vor Gericht steht, mit der Rekrutierung von Kindersoldaten begründet. Lubangas persönliche Garde in der nordostkongolesischen Stadt Bunia, wo er von 2002 bis 2003 residierte, bestand nämlich aus Minderjährigen. Das galt damals allerdings auch für seinen Rivalen Mbusa Nyamwisi, Rebellenführer in der 100 Kilometer entfernten Stadt Beni. Lubanga sitzt heute in Den Haag im Gefängnis. Mbusa Nyamwisi ist Kongos Außenminister.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.