Papa wirds nicht mehr richten

Wenn arbeitslose Väter ihre Familien runterziehen. Die Krise der Arbeitsgesellschaft ist im Kinderbuch angekommen.

Anstatt nach Nutella und Rouladen zu jammern, schleicht Jessica zur Sozialeinrichtung "Tafel", um etwas Essbares für die Familie zu holen. : dpa

Neulich beim Märchenquiz in der Stadtteilbibliothek: "Welchen Beruf hatte der Vater von Hänsel und Gretel?", fragt die Bibliothekarin. Die Kinder grübeln. Einer ruft freudig "Er war arbeitslos!" Nicht ganz - Holzfäller war er, aber man könnte ihn wegen seiner Resignation durchaus für einen arbeitslosen Papa halten. Wie unzufrieden Väter ohne Job sein können und den Familienalltag vergiften, erzählen zwei gar nicht märchenhafte, sondern realitätsbezogene Bücher, die im Frühjahr erschienen sind.

"Suche Arbeit für Papa", ein Bilderbuch aus dem Bajazzo Verlag, wendet sich an Kinder ab 5 Jahren. Auf ihrem ersten Bild zeigt Monika Maslowska ein Fenster, durch dessen Scheiben man einen kleinen, ernst blickenden Jungen sieht. Er gießt einen Kaktus. Stachelig sehen auch die Haare des unrasierten Vaters aus, der sich am Essenstisch krümmt. Die Mutter steht neben ihm, einen Topf Suppe in den Händen. Ab dem zweiten Bild nimmt der Betrachter buchstäblich mit am Tisch Platz, der mitten im kargen Wohnzimmer steht. In den rau strukturierten Bildern stehen Lydia Zellers Texte: "Seit Papa den ganzen Tag zu Hause ist, meckert er …" Er hat seinen Job als Autolackierer verloren, sitzt vor der Glotze und trinkt Bier. Statt beim Staubsauger oder bei den Hausaufgaben zu helfen, nervt er die Familie.

Doch Zweitklässler Oskar hat eine Idee: Auf einen Zettel schreibt er: "Suche Arbeit für Papa. Er kann es super mit Autos." Dann pinnt er ihn an einen Baum. Während der Vater deshalb einen Wutanfall bekommt, klingelt das Telefon. Ein Nachbar fragt nach Hilfe beim Autoschrauben. Pfeifend kommt Papa vom Nachbar zurück und hat neuen Mut gefasst.

Der Text erzählt das Wesentliche der Geschichte, während die großflächigen Bilder das gefühlte Leben vorführen. So setzt Maslowska den bedrohlich großen Schatten des Vaters, der über die Familie fällt, als rote Form in die braune Fläche. Die expressionistisch verzerrte Perspektive der Räume macht das aus dem Lot geratene Familienleben sichtbar. Gerade diese Illustrationen eröffnen Kindern die Möglichkeit, ein schwieriges Thema emotional nachzuvollziehen.

Was im Bilderbuch gelingt, entgleist in Gabi Biernaths realistischem Kinderroman "Leben auf Sparflamme". Weil der Vater arbeitslos geworden ist, muss die fünfköpfige Familie ihr Eigenheim verkaufen und in einen Plattenbau umziehen. Mutti, bisher Hausfrau, krempelt die Ärmel hoch und besucht nun tagsüber den Kurs "Fit fürs Büro." Kein Grund für den deprimierten Vater, Verantwortung für Haushalt und Kinder zu übernehmen: Statt die sechsjährige Emma von der Schule abzuholen, versinkt er in Selbstmitleid. Die Verantwortung bürdet sich die Icherzählerin Jessica auf. Auch dass ihr Bruder auf dem Weg in die Kleinkriminalität ist, erkennt nur sie. Während Emma nach Nutella und Rouladen jammert, schleicht Jessica zur Sozialeinrichtung "Tafel", um etwas Essbares für die Familie zu holen. Zum Glück taucht ab und zu Florian aus ihrer Klasse auf, dessen Familie ebenfalls von der Tafel lebt.

Sicher es ist nicht einfach, wenn eine Familie plötzlich zu Hartz-IV-Empfängern wird, aber Biernath gelingt es in ihrem Roman nicht, Mitgefühl für ihre Protagonistin zu erzeugen. Das mag zum einen daran liegen, dass Jessica zu vernünftig und kontrolliert wirkt. Zum anderen tauchen in jeder Notsituation von irgendwoher nette Menschen auf, die das Schlimmste verhindern. Um packend zu sein, ist das Buch zu sehr konstruiert und zu nett.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.