Kubas Wirtschaft im Wandel: Reformen gegen die Abhängigkeit

Privater Landbesitz, genossenschaftliche Produktion und Mietwagen für alle. Mit vorsichtigen Reformen will Kubas Staatschef Raúl Castro die Wirtschaft beleben.

Genossenschaft statt Staatswirtschaft: Tomatenfarm bei Havanna. : ap

"Alles aus ökologischem Landbau", strahlt Miguel Angel Salcines und zeigt über den Tresen zu den Anbauflächen des städtischen Gemüsegartens. Dort ernten einige Genossen in exakt abgezirkelten Feldern Salatköpfe. Per Schubkarre wird die frische Ware wenig später zum Verkaufsstand gebracht und feilgeboten. Überaus zielstrebig gehen die Compañeiros, die Genossen, ihren Aufgaben nach. Pflanzkästen, Keramiktöpfe und Werkzeuge stehen sauber gestapelt an ihrem Platz.

Salcines registriert aufmerksam die ungläubigen Blicke. "Auch eine sozialistische Genossenschaft kann produktiv arbeiten", flachst der 57-Jährige. Vor zehn Jahren hat er mit vier Kollegen aus dem Agrarministerium die Genossenschaft Vivero Alamar auf einem halben Hektar Brachland gegründet. Heute ackern 146 Compañeiros auf rund elf Hektar Fläche vor den Toren Havannas in Alamar. Ein kleiner Musterbetrieb - und davon hätte Kubas Staatschef, Raúl Castro, gern mehr. Denn angesichts der hohen Lebensmittelpreise kommt die Importabhängigkeit der Insel die Regierung teuer zu stehen. Für 1,7 Milliarden US-Dollar wurden im letzten Jahr Reis, Getreide, Milchpulver und Hähnchen im Ausland eingekauft. In diesem Jahr soll die Menge sinken, und deshalb hat der 76-jährige Staatschef Anfang April die ersten Reformen in der Landwirtschaft ausrufen lassen. "Jeder, der Kaffee produzieren will, soll sich melden", mit diesen Worten offerierte Orlando Lugo Fonte, Präsident des Kleinbauernverbands Anap, den Bauern bis zu fünf Hektar Ackerfläche pro Familie. Das Land wird den Bauern zwar nicht geschenkt, sondern nur zur Verfügung gestellt - das aber auf Lebenszeit. Dadurch wollen die Verantwortlichen in Havanna erreichen, dass die Bauern eine reale Beziehung zum Boden aufbauen und endlich wieder zu vernünftigen Erträgen kommen.

Für Armando Nova, Agrarexperte am Forschungsinstitut für die kubanische Wirtschaft, ist das eine Voraussetzung, um den Agrarsektor wieder flottzumachen. Eine andere ist der Verkauf von Agrarmaterialien wie Egge und Düngemitteln; die dritte ist die Erhöhung der Preise im staatlichen Ankaufssystem, dem Acopio. Beide Schritte hat die Regierung Ende März abgesegnet und so die Hoffnungen auf einen echten Reformprozess geschürt.

Verstärkt werden diese durch ein ganzes Bündel weiterer Maßnahmen. So dürfen Kubaner seit Anfang April ganz legal in kubanischen Hotels einchecken, Autos mieten sowie Computer, DVD-Player und Mobiltelefone kaufen.

Zuvor waren die Kubaner ausgesprochen verbittert, dass bestimmte Waren und Dienstleistungen den Touristen vorbehalten waren. Diese "Dollarapartheid" ist nun verbannt. Dabei fällt es vorerst wenig ins Gewicht, dass sich nur wenige Kubaner diese Angebote leisten können - die Geste zählt. Gleiches gilt für die ersten Lockerungen beim Immobilienerwerb. Fortan dürfen die Kubaner ihre Wohnungen und Häuser vom Staat kaufen und unter bestimmten Voraussetzungen an Kinder oder Angehörige vererben.

Wichtiger für die Lebensbedingungen auf der Insel sind jedoch die Agrarreformen. Die deuten in Richtung Dezentralisierung, und für die votieren Sozialwissenschaftler von der Insel wie Pedro Monreal und Omar Everleny. Während Everleny jedoch für mehr Produktivität und Flexibilität nach vietnamesisch-chinesischem Vorbild wirbt, fordert Pedro Monreal strukturelle Reformen angesichts der immensen Flächen, die brachliegen. Bis zu fünfzig Prozent sollen es sein. Genug Fläche, um das erfolgreiche Modell von Miguel Salcines und seinen Genossen zu kopieren.

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