Die Gefahr Zahnseide: Nylonmesser im Mund

Zahnseide ist wirkungsvoll, doch ihre Anwendung birgt Risiken. Falsche Handhabung führt zu Verletzungen des Zahnfleisches, so eine neue Studie.

Zahnseide danach? Muss nicht sein... Bild: dpa

In den USA hat sich Zahnseide zu einem Standard der Gesundheitsvorsorge gemausert: Für über 20 Prozent der Amerikaner gehört das Fädeln in den interdentalen Zwischenräumen zur täglichen Routine. In Deutschland liegt hingegen der Zahnseideverbrauch pro Kopf gerade mal bei 0,1 Packungen pro Jahr, der Anteil regelmäßiger Zahnseideanwender liegt vermutlich unter fünf Prozent. Sechzig Prozent des Zahnpflegebudgets entfällt auf Zahnpasten, doch nur zwei Prozent auf die Anschaffung von Zahnseide.

Die "Seidenmüdigkeit" kann Folgen für die dentale Hygiene haben. Mit herkömmlichen Bürsten lassen sich nämlich nur 70 Prozent der Zahnoberfläche erreichen: In den Zahnzwischenräumen streifen die Borsten nur parallel zur Oberfläche über den Zahn, so dass die "Rubbelkraft" zum Entfernen von Verschmutzungen und Belägen nicht ausreicht. Zahnseide entfaltet dort eine weitaus bessere Wirksamkeit. Ihre Anwendung gilt daher als Vorbeugung gegen Zahnfleischentzündungen und approximaler Karies an den Zwischenräumen, die als besonders problematisch gilt, weil sie oft unerkannt abläuft und dadurch zu spät behandelt wird.

Andererseits sollte man den Vorbeugeeffekt von Zahnseide nicht zu hoch gewichten. Amerikanische Forscher unter Leitung von Philippe Hujoel von der University of Washington analysierten nämlich das vorhandene Datenmaterial zu dem Thema - und ihr Fazit fällt keineswegs einhellig aus. "Zwar scheinen vor allem Kinder mit mangelnder Mundhygiene und schlechter Fluoridversorgung von einer regelmäßigen, engmaschigen und professionellen Behandlung mit Zahnseide zu profitieren", so Hujoel, "doch dieser Effekt könnte durch häufiges Zähneputzen und die regelmäßige Anwendung von Fluoridpräparaten reduziert oder sogar eliminiert werden." Was im Umkehrschluss bedeutet: Wer täglich dreimal die Zähne putzt und noch Fluorid zur Härtung des Zahnschmelzes verwendet, erzielt mit der Seide kaum noch einen zusätzlichen Schutz für sein Gebiss.

Zahnmediziner Professor Stephan Zimmer von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf verglich in einer Studie die Effekte von Zahnseide und zwei antimikrobiellen Mundspüllösungen. Das Ergebnis: Zahnfleischbluten wurde von beiden Methoden gleichermaßen eingedämmt, beim Zahnbelag schnitten die Spülungen sogar etwas besser ab. Für Zimmer ein deutlicher Hinweis darauf, "dass Mundspülungen eine Alternative zur Zahnseide sein könnten".

Das freut diejenigen, die mit der Seide ihre Probleme haben - und das sind nicht wenige. Allein die Tatsache, dass es insgesamt 30 Zahnzwischenräume durchzufädeln gilt, schreckt viele vor der täglichen Anwendung ab, wie es eigentlich erforderlich wäre. Zudem kann falsche Handhabung zu Verletzungen führen. Der "klassische Fehler": Der Seidenfaden wird zu sehr unter Spannung gehalten, so dass er wie ein winziges Messer ins Zahnfleisch schneidet.

Schließlich haben vor allem Zähne mit Amalgamplomben mitunter scharfe Kanten, an denen die Seide hängen bleiben kann. Es bleiben Reste zurück, die später beim Kauen schmerzhaft ins Zahnfleisch gedrückt werden.

Zahnärzte empfehlen daher, sich professionell in die Anwendung der Seide einweisen zu lassen. Kinder sollten selbsttätig erst ab 12 Jahren mit ihr beginnen.

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