Amerikanische R&B-Talente in Dresden: Stimmen aus dem Mutterland

In Dresden wird die "Soul Symphony" aufgeführt. Mit Bilal, Tweet und Dwele stehen dabei Talente aus dem amerikanischen R&B auf der Bühne.

Dwele (zweiter von rechts) und seine Kumpanen im Dresdener Proberaum. Bild: marco prosch

Motown und Stax, die erfolgreichen Soul-Labels der sechziger Jahre, schickten ihre Schützlinge stets mitsamt einer Backingband auf Tournee durch den sogenannten Chitlin Circuit.

Schön, dass in Dresden diese Tradition nun wiederbelebt wird und weithin unbekannte New-Soul-Sänger klassische Hits in neuem Arrangement aufführen. Unterstützt vom Orchester des MDR und einem Kinderchor.

Es ist daher eine einmalige Gelegenheit, den Ist-Zustand des aktuellen R & B zu begutachten, denn mit Bilal, Dwele und Tweet treten gleich drei amerikanische Nachwuchs-Soulacts auf. R & B findet in seiner aktuellen Form in Europa höchstens Beachtung als kleine Schwester von Hiphop. Eine Rezeption des Genres findet sonst so gut wie nicht statt.

Gegen die Massenwirksamkeit von Amy Whinehouse und neuerdings Duffy, deren Popularität wohl auch auf ihre weiße Hautfarbe zurückzuführen ist, können die Künstler aus dem Soul-Mutterland nicht ansingen.

Dabei gilt Bilal als einer der Protagonisten des New Soul. Neben den Schwergewichten DAngelo und Erykah Badu hält Bilal aktuell am ehesten dem Vergleich mit den Legenden des Soul-Genres stand. Bilal ist ein immer knapp an der Grenze zum Schmierigen vorbeidriftender Stenz. Er hat die Fähigkeit, aus einem Song eine Offenbarung zu machen. Aus dem Nichts fällt er in schwindelerregende Falsettpassagen und hat dabei den gewissen Kick in der Stimme. In dem Sänger aus Philadelphia hallt das Echo einer vergangenen Epoche nach, ohne dass er etwa altbacken wirken würde.

Tweet, die Sängerin aus dem Süden der USA, wollte ihre Karriere schon an den Nagel hängen, bis Missy Elliott sie als Backingsängerin verpflichtete und ihr einen Plattenvertrag gab. Stimmakrobatik à la Beyonce ist ihre Sache nicht. Tweet folgt mit ihrer schönen und glasklaren Stimme uneitel den Songs. Ihre unaufgeregte Intonation steht in der Tradition einer Dionne Warwick und ist damit die perfekte Besetzung für einen in Streicher eingebetteten Abend voller Coverversionen.

Dann wäre da noch Dwele, ein durch seinen Hiphop-Protegée Kanye West zu Ruhm gekommener Crooner aus Detroit. Stimmlich fällt er gegen seine beiden Kollegen ab. Dass seine Songs trotzdem funktionieren, ist durch das hohe Niveau amerikanischer Produzenten bedingt. Was an Tiefe fehlt, macht ein unwiderstehlich pumpender Backingtrack allemal wett. Ob er im Rahmen einer Orchesterbegleitung mit Klassikern von Ray Charles, Aretha Franklin, Al Green und Gladys Knight bestehen kann, wird sich erst zeigen.

Ein wenig Populismus muss erlaubt sein. Diesen Part übernimmt die afrodeutsche Sängerin Joy Delanane. In jedem Fall dürfte Larry Gold seine Finger bei der Auswahl der Protagonisten im Spiel gehabt haben. Bis auf Bilal hatte er alle schon in seinem Studio in Philadelphia.

R & B ist heute Pop, ein verwässerter, MTV-kompatibler Sound, der über akrobatische Tanzeinlagen und nackte Haut visuell vermarktet wird. Meist sind die Songs innovativ produziert, haben aber durch mittelprächtiges Songmaterial nur kurze Halbwertszeiten.

Ob man den Soul ausgerechnet mit Unterstützung eines deutschen Sinfonieorchesters aus der Gruft holen kann, bleibt abzuwarten. Lustig ist es allemal, wenn ein Kinderchor mit viel Pomp und Kitsch den "Midnight Train To Georgia" besingt. Spannend verspricht es auch dank der talentierten Sänger zu werden. Sie stehen in der Soul-Tradition, machen aber Musik für die Gegenwart und sind definitiv in der Lage, ein Live-Publikum in den Bann zu ziehen. LARS BULNHEIM

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.