Wo Schiller wandelte: Auf Gartentour

Üppige Gartenanlagen, weitläufige Parks - gestaltete Natur im Gartenreich Dessau-Wörlitz. Das Weltkulturerbe in Sachsen-Anhalt ist eine nach klassischen Idealen angelegte Landschaft

Wohlgeformtes Hinterteil im Wörlitzer Park Bild: Peter Behrens/pixelio.de

Wiesen, Wälder, Deiche, Seen und Flüsse; Brücken, Grotten, Tempel und Monumente - gestaltete Natur. Um den vierarmigen Wörlitzer See, einem Altwasser der Elbe, ordnen sich die fünf Gartenteile der Wörlitzer Parkanlagen. Sie sind durch Seen und Kanäle getrennt. Über Fähren, Brücken, Wege werden sie zu einem Gesamtkunstwerk verbunden. Wenn jetzt im Frühling im Wörlitzer Park nicht nur die Magnolien blühen, entfaltet der Garten seine Schönheit. Hier lässt es sich im Blütenregen vortrefflich in den Frühling wandeln. Eichhörnchen huschen über die tief ins Wasser hängende Äste der nun lindgrünen Weiden. Die Sichtachsen sind Hauptgestaltungselemente des englischen Landschaftsgartens. Sie schaffen immer wieder neue Bilder, sie erweitern die Räume optisch. Im Wörlitzer Park soll es zirka 300 Sichtachsen geben, nach jeder Wegbiegung eine neue Gartensicht.

Die Gärten ahmen idealisiert und im Kleinen die Welt des 18. Jahrhunderts nach. Und so findet man darin neben der ersten europäischen Eisenbrücke und dem ersten außerhalb von England gebauten neogotischen Gartengebäude auch einen künstlichen Vulkan, inspiriert von der damals weit verbreiteten Italien-Sehnsucht. Dieser kann mit Feuerwerkskörpern noch heute effektvoll zum Ausbruch gebracht werden. Auch das Gotische Haus erinnert mit seiner Kanalfront an eine venezianische Kirche. Es birgt heute eine Sammlung schweizerischer Glasgemälde.

Kulturstiftung Dessau-Wörlitz, Schloss Großkühnau, 06846 Dessau-Rosslau, Tel. (03 40) 6 46 15-0, www.gartenreich.com

http://www.gartenreich.com Nördlich von Görlitz durchfließt die Neiße den Landschaftspark von Hermann Fürst von Pückler-Muskau (1785-1871). Er ließ sich von der idyllischen Tallandschaft inspirieren und schuf hier ab 1811 ein Gartenreich beachtlichen Ausmaßes. Fürst Hermann von Pückler-Muskau verfasste eines der wichtigsten gartentheoretischen Schriften seiner Zeit in Deutschland, die "Andeutungen über Landschaftsgärtnerei". www.muskauer-park.de

Die Blumeninsel Mainau ist eine der größten Attraktionen am Bodensee. Die Gartenzwerge erobern die Insel in diesem Jahr. Ein 15 Meter langer und 9 Meter hoher Gartenzwerg aus Blumen soll den Anspruch auf einen Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde sicherstellen. Gärtner und Liebhaber vieler Länder interessieren sich für die subtropische Pflanzenwelt sowie die Neuzüchtungen von Tulpen, Rosen und Dahlien. www.mainau.de

"Schlösser, Parks und Gärten" lautet das diesjährige Thema der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT). Quer durch Deutschland von Mecklenburg-Vorpommern bis zum Bodensee werden Schlösser und Gärten Deutschlands präsentiert. www.deutschland-tourismus.de

Eine gute Zusammenstellung mit vielen Tipps und Adressen gibt das Labhards Reisemagazin: Gartentour - unterwegs zu Deutschlands Schlössern, Parks und Gärten. Zu beziehen bei: www.labhard.de oder am Kiosk

Englische Gärten waren im 18. Jahrhundert an deutschen Fürstenhöfen Mode. Die Wörlitzer Gartenanlage war einer der ersten englischen Gärten in Deutschland. 1768 wurde im Auftrag des anglophilen Fürsten von Anhalt-Dessau, Leopold III. Friedrich Franz, der Park von Wörlitz von den Gartenbaumeistern Johann Gottlieb Schoch und Johann Christian Neumark angelegt. Doch die Besucher sollten hier nicht nur lustwandeln, sie sollten auch belehrt werden. "Schon immer waren die Wörlitzer Gartenanlagen für jedermann zugänglich", sagt Erdmute Alex, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit bei der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz. "Und Fürst Franz, der den Garten in Auftrag gab, verfolgte immer auch volkserzieherische Aufgaben damit."

Kitsch und Kunst, Schlösser und Gärten lassen den Geist vergangener Zeiten wiederauferstehen. Es war das Zeitalter der Empfindsamkeit, beseelt von klassischen Idealen, der Aufklärung und der Philosophie Rousseaus. All diese intellektuellen Geister sind in der Bibliothek des Schlosses Wörlitz in Wandmalereien versammelt: Dort sind die Klassiker der Griechen neben Rousseau und Voltaire abgebildet. Nach der Rückkehr von seiner Grand Tour durch England, Italien und die Niederlande wählte Fürst Franz Wörlitz zum Ausgangspunkt für seine Landesverschönerung. Verbunden damit war der Bau eines Schlosses nach dem Vorbild englischer Landhäuser. Die reiche Innenausstattung, die vollständig erhalten ist, spiegelt die Reisen und Interessen des Fürsten wider. Hier finden sich antike Plastiken, italienische und niederländische Gemälde (u. a. Rubens) und englische Keramiken. Neugotik und Klassizismus verbinden sich in der Luisium-Anlage, die Fürst Franz seiner Gemahlin Luise widmete. Immerhin. Denn geliebt habe der Fürst viele andere Frauen, weiß Erdmute Alex. Wer mehr darüber wissen will: Das Kultusministerium Sachsen-Anhalt widmet der Fürstin Luise vom 21. Juni bis 28. September eine Ausstellung im Haus der Fürstin am Wörlitzer Park. Diese ist Teil des Themenschwerpunkts "Frauen im 18. Jahrhundert".

"Das Gartenreich Dessau-Wörlitz ist ein herausragendes Beispiel für die Umsetzung philosophischer Prinzipien der Aufklärung in einer Landschaftsgestaltung, die Kunst, Erziehung und Wirtschaft harmonisch miteinander verbindet". So begründet das Unesco-Welterbekomitee die Aufnahme der Kulturlandschaft in die Welterbeliste im November 2000. Das Gartenreich liegt eingebettet in der Auenlandschaft der Elbe und umfasst neben Wörlitz sechs weitere Parkanlagen auf einer Gesamtfläche von 145 Quadratkilometern. Diese sind miteinander verbunden - ein Grüngürtel zum Wandern und Radfahren. Heute gehören das 1780 entstandene Georgium und der Waldpark Sieglitzer Berg genauso dazu wie die älteren Anlagen in Oranienbaum und Mosigkau.

Im Wörlitzer Park Bild: M.T./pixelio.de

Der Zeitgenosse und Dramatiker Friedrich Schiller, der ebenfalls in Wörlitz wandelte, sieht in den neuen englischen Gärten "Geburten des nördlichen Geschmacks". Diese "sind von einer so zweideutigen Abkunft und haben bis jetzt einen so unsichern Charakter gezeigt, daß es dem echten Kunstfreund zu verzeihen ist, wenn er sie kaum einer flüchtigen Aufmerksamkeit würdigte und dem Dilettantismus zum Spiele dahin gab". Schiller kritisierte das Gestaltungsprinzip des englischen Gartens, dem es an jeder Formbestimmtheit fehle. Er schreibt: "Die Welt, wie der Realist sie bildet, ist ein wohlangelegter Garten, worin alles nutzt, alles seine Stelle verdient und, was nicht Früchte trägt, verbannt ist; die Welt unter den Händen des Idealisten ist eine weniger benutzte, aber in einem größeren Charakter ausgeführte Natur."

Bei aller philosophischen Kritik Schillers: Heute sind die Gartenanlagen das touristische Kapital dieser strukturschwachen Region in Sachsen-Anhalt. Der Wörlitzer Park ist das Herzstück des Gartenreichs. Auch die Ortschaft Wörlitz mit ihrem sanierten Fachwerk wirkt im Verhältnis zu den umliegenden Gemeinden herausgeputzt. Hotels, Pensionen und Restaurants aller Kategorien machen den Ort zum Ausgangspunkt für Ausflüge durch die gestaltete Natur. Oder zu den anderen touristischen Anziehungspunkten gleich in der Nähe. "Sachsen-Anhalt wirbt mit den Gärten, Luther in Wittenberg und dem Bauhaus", sagt Alex von der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz. "Das bringt uns vor allem auch Gäste aus Übersee."

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