Weltraum-Brummi dockt an ISS an: EU-Müllabfuhr im Weltall

Die Europäer besitzen kein eigenes Personenraumschiff wie USA und Russland, holen aber bei der unbemannten Technik auf. Der ESA-"Space-Laster" ATV dockt an die ISS an.

"Jules Verne" dockt unbemannt und vollautomatisch an die Internationale Raumstation an. Bild: dpa

Sein Name ist "Jules Vernes" und es bringt Wasser, Sauerstoff, Nahrungsmittel, Treibstoff und andere Versorgungsgüter mit: Das "Automated Transfer Vehicle" (ATV) der europäischen Raumfahrtagentur ESA soll am Donnerstag erstmals an die internationale Raumstation ISS andocken und frische Waren für die Mannschaft abliefern.

Der neuartige Weltraumlaster ist zehn Meter lang, vier Meter 50 breit und wiegt knapp 20 Tonnen (13 Tonnen Leergewicht, der Rest ist für Fracht vorgesehen). Das Raumfahrzeug war gut drei Wochen nach dem Start unterwegs, bevor er den menschlichen Außenposten im All erreichte. Als Treibmittel diente eine Ariane 5 ES-Rakete, die am 9. März vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana abhob.

Das ATV ist der ganze Stolz der europäischen Raumfahrer. Das vollautomatische Transportvehikel soll ein Ungleichgewicht in Sachen technischer Ausrüstung beheben, das seit langem besteht. Zwar ist die ESA in Sachen Satellitentechnik und Forschung ganz vorne mit dabei. Doch ein richtig großes Raumschiff fehlte der Union noch, während Russen ihre Sojus-Raumschiffe und Progress-Transporter (bemannt und unbemannt), die Amerikaner ihr (allerdings bald zur Ausmusterung anstehendes) Space Shuttle haben. Das ATV füllt diese Lücke nun endlich aus.

Der unbemannte "Space-Laster" wird insgesamt sechs Monate an der ISS angedockt bleiben und kann den Astronauten als Zusatzraum dienen, wenn die Fracht entnommen wurde. Allerdings dürfte dieser recht flott wieder knapp werden: Das ATV hat nämlich auch noch eine Zusatzaufgabe. Es dient zum Abtransport von Müll und anderen zu entsorgenden Gegenständen, die an Bord der ISS in den letzten Monaten angehäuft wurden. Über sechs Tonnen Abfall passen in das Gefährt hinein.

Wirklich umweltfreundlich entsorgt wird dieser dann allerdings nicht. Das ATV kehrt nicht etwa auf die Erde zurück und kann dort entladen werden, sondern soll in der Erdatmosphäre beim Wiedereintritt verbrennen. Es gibt aber auch noch eine dritte Aufgabe neben Versorgung und Müllabtransport, die das ATV erfüllen soll: Das Gefährt kann mit seinem Antrieb dafür sorgen, dass die ISS nicht weiter in ihrer Planetenumlaufbahn absinkt. Dazu soll das ATV im angedockten Zustand die Station mittels wohldosiertem Schub um 20 bis 30 Kilometer nach oben befördern.

Die ESA und die Kollegen in den anderen großen Raumfahrtagenturen in Amerika, Russland und Asien begutachten die Leistung des ATV derzeit mit Argusaugen. Der Grund: Der Weltraumlaster muss bald die größten Transportaufträge zur ISS übernehmen, wenn das Space Shuttle endgültig in Rente geschickt wurde. Alle 12 Monate könnte dann eine solche Mission absolviert werden. Das ATV schluckt die dreifache Lademenge der robusten und billigen Progress-Versorgungskapseln und ist trotz stets notwendiger Neuproduktion ("Wegwerfkapsel") günstiger als ein Shuttle-Flug, zumal man dabei keine Angst um die Besatzung haben muss. Neben Progress und ATV wollen nur noch die Japaner einen eigenen Transporter namens HTV bauen, doch der wird frühestens 2009 fertig. Menschen werden bis zur Fertigstellung des Shuttle-Nachfolgers "CRV" dann bald nur noch über das russische Sojus-Raumschiff zur ISS gelangen.

Vor dem Andocken führte das ATV verschiedene Annäherungsversuche an die Weltraumstation durch - vor allem, um die Genauigkeit der automatischen Navigationsinstrumente und Antriebssysteme zu testen. Knapp elf Meter Abstand hielt das ATV zuletzt noch, mit 28 Steuerdüsen lässt sich das Fahrzeug feinjustieren, ein Bordrechner hält es auf Kurs. Optische Sensoren und Lasersysteme tasten den Raum ständig ab, damit es nicht zu einer Kollision kommt. Eine Datenverbindung mit dem russischen Radar-System "KURS" konnte bereits hergestellt und kontrolliert werden, sie übernimmt die Abschlusssteuerung. Vor der endgültigen Mission wurde der Transporter knapp 40 Kilometer von der ISS entfernt geparkt, um auf den Befehl zum echten Andocken zu warten. Die Kopplung soll nun am Donnerstag um kurz vor 17 Uhr abgeschlossen sein.

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