Theatersterben Teil zwei: Schulkinder betreten die Bühne

Skurril ist die Lage des Theaterhauses Mitte am Koppenplatz: Weil Eltern ihre Kinder lieber in Mitte als im Wedding zur Schule schicken wollen, droht der Bühne das Ende. Denn das Theater residiert in einem alten Schulgebäude.

Kleine Kinder gefährden die Zukunft des Theaterhauses Mitte am Koppenplatz. 1992 wurde das Off-Theater vom Bezirksamt Mitte gegründet, im Jahr 2000 zog es in ein ehemaliges Schulgebäude am Koppenplatz 12, das zuvor wegen rückläufiger Schülerzahlen vier Jahre lang leer stand. Jetzt sieht die Situation anders aus: Weil die Schülerzahl wieder gestiegen ist, soll der Schulbetrieb wiederaufgenommen werden. Zunächst nur in Form einer Filiale von zwei Klassen - Schule und Theater sollen parallel bestehen.

Daher sehen die Künstler das Haus in seiner Existenz bedroht. Nach Theaterangaben arbeiten dort jährlich 2.000 freischaffende Künstler aus aller Welt. In einem offenen Brief an den Regierenden Bürgermeister und an den Bezirksbürgermeister von Mitte, Christian Hanke (beide SPD), erklären die Mitarbeiter des Theaterhauses: "Das Bezirksamt ist offensichtlich nicht gewillt, eine Ersatzimmobilie zur Verfügung zu stellen." Die nötige Planung habe nicht rechtzeitig begonnen."

Außerdem habe das Kulturamt angekündigt, seine Kooperation mit dem Theaterhaus im Juni 2008 zu kündigen. "Bisher hat das Kulturamt einen großen Teil der anfallenden Kosten getragen, wie Miete, Instandhaltung und Reinigung des Gebäudes", erklärt Christoff Bleidt, künstlerischer Leiter des Theaterhauses. Rund 70.000 Euro mache dieser Anteil im Jahr aus. Die eigenen Einnahmen aus Kartenverkauf und Nutzungsgebühren für die Räume schätzt er für das Jahr 2007 auf 110.000 Euro. "Wenn wir kein Gebäude zu ähnlich günstigen Konditionen nutzen können, bedeutet das, dass sich unser Theater nicht mehr halten kann. Den Verlust könnten wir nicht durch eigene Einnahmen ausgleichen."

Ab Juni sei dann das Schulamt für das Gebäude verantwortlich. Wenn der Kooperationsvertrag wegfällt, bleibt die Frage der Finanzierung und der Nutzungsrechte für das Haus völlig unklar, erklärt Bleidt.

Wie schnell die geplante Schule wachsen werde, hänge davon ab, wie viele Kinder in Zukunft angemeldet werden, urteilt Jürgen Willuhn, Leiter des Schulamts Mitte. Prinzipiell seien aber die beiden Klassen "der Grundstein für eine richtige Schule".

Das Theaterhaus berichtet in diesem Zusammenhang außerdem von einer privaten Elterninitiative. Die bestehe aus rund 40 Mitgliedern, deren Kinder bislang im Wedding zur Schule gehen. Die Eltern hätten sich zusammengetan mit dem Ziel, ihre Kinder stattdessen ins bürgerlich etablierte Mitte schicken zu können, in dem außerdem deutlich weniger Kinder mit Migrationshintergrund leben. Willuhn bestätigt das: "Es stimmt, es gibt verstärktes Interesse von Eltern, ihre Kinder in Mitte statt im Wedding zur Schule zu schicken. Ich halte das Anliegen für berechtigt und wir versuchen, solchen Wünschen nachzukommen."

Grundsätzlich gebe es wenig Raum in Alt-Mitte. "Das Gebäude war mal eine Schule, daher war die Idee naheliegend." Nach einem alternativen Standort für das Theater habe das Schulamt nicht gesucht: "Das liegt nicht im Zuständigkeitsbereich des Schulamts, sondern ist Aufgabe des Kulturamts. Ich bedaure, wenn das zu Lasten anderer geht." Zuständige Mitarbeiter des Kulturamts waren für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Unmut bei den Kulturschaffenden verursacht der drohende kulturelle Sparkurs des Senats vor dem Hintergrund der gerade gestarteten PR-Kampagne "be berlin". Denn die preist Berlin als kreative Kulturhauptstadt. Die Politik gefährde nun ebendieses Flair. KATHARINA BUESS

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