Theatersterben: Theater gehen ins Off

Dem Kulturleben in Mitte und Friedrichshain droht ein großer Verlust. Weil die Kulturverwaltung des Senats ihre Zuschüsse streichen will, sehen drei renommierte Off-Theater ihre Existenz akut gefährdet.

Mehreren kleinen Theatern droht der letzte Vorhang. Bild: AP

Unter Kennern gelten diese Namen etwas: das Orphtheater in der Ackerstraße, die Theaterkapelle in der Boxhagener Straße und das Theaterhaus Mitte am Koppenplatz. Die drei Bühnen fürchten, der Senat werde die für sie überlebensnotwendigen Zuschüsse in Zukunft einsparen. Das wäre für die kleinen Off-Theater das Ende, klagen deren Macher.

Drei Off-Theater im Berliner Osten befürchten das Ende der Subventionierung. Bleiben die staatlichen Fördermittel weg, bedeutet das für die kleinen, aber renommierten Häuser das Aus. "Noch mehr Sparen geht nicht", lautet der Tenor, denn schon jetzt sind die Etats so niedrig, dass sich die Theater nur mit Low- und No-Budget-Produktionen halten können. Dem Theaterhaus Mitte droht zudem der Verlust der Spielstätte: Eine Schule soll im Haus eingerichtet werden, denn Mitte-Kinder sollen nicht in den weniger schicken Grenzbezirk Wedding zur Schule gehen müssen.

"Wenn die Fördermittel wegfallen, ist unser Theater nicht mehr zu halten", erklärt Matthias Horn, künstlerischer Leiter des Orphtheaters. Grund für die Besorgnis waren Gespräche der Theaterleitungen mit Senatsmitgliedern und einer Jury. Diese setzt sich aus sechs Theaterkritikern, Regisseuren und Dramaturgen zusammen und spricht Empfehlungen für die Förderung freier Theater aus, denen der Senat in der Regel folgt.

Für das Orphtheater geht es um eine Summe von jährlich 60.000 Euro; so viel bekam das Haus jeweils in den Jahren 2006 und 2007. Im Jahr 2000 war der Betrag mit 125.000 Euro noch mehr als doppelt so hoch.

"Ein Jurymitglied sagte zu uns, wir müssten lernen, finanziell auf eigenen Füßen zu stehen", so Horn. Die vom Senat eingesetzte Komission habe vor dem gemeinsamen Gespräch über die Zukunft des Hauses nicht einmal den Spielplan und das Konzept für die nächsten zwei Jahre gelesen. Auf eine kurze Zusammenfassung der weiteren Pläne durch die Theatermitarbeiter habe die Jury mit Kritik reagiert: "Inhaltleer und formalistisch" seien die Ideen, so habe das Urteil gelautet.

Dabei will das Orphtheater politische Themen wie Sterben, Sterbehilfe und den Tod des Künstlers in Angriff nehmen. Auch das habe der Jury missfallen. "Es ist der Vorwurf gefallen, wir wollten unser eigenes Scheitern zelebrieren", berichtet Horn.

Dass es mit der Basisförderung bald ganz vorbei sein könnte, schließt Horn außerdem aus der Tatsache, dass die Jurymitglieder kein einziges Mal zur aktuellen und erfolgreichen musikalischen Inszenierung von "Todesanzeige und andere Texte von Heiner Müller" erschienen seien. Und die habe die Förderung durch den Senat erst möglich gemacht. Von den eigenen Einnahmen etwa durch Kartenverkauf könne sich ein kleines Haus außerhalb der etablierten Theaterstrukturen nicht halten, diese machten nur 20 bis 25 Prozent des Etats aus. "Das reicht lediglich aus, um die Spielstätte sicherzustellen - Künstlergagen sind da nicht drin", so Horn. Eine Assistenz bei ihnen werde zum Beispiel mit 300 Euro im Monat vergütet, da könne man kaum mehr von einem Gehalt sprechen, sondern lediglich von einer Aufwandsentschädigung.

Sein kleines Theater, das im Hinterhof der Kneipe Schokoladen in Mitte liegt, ist eines der ältesten freien Ensembles Berlins. 1990 wurde es gegründet, allein in den vergangenen vier Jahren habe es 30 Premieren gegeben.

Von ähnlichen Befürchtungen berichtet auch Christina Emig-Könning, Vertreterin der Theaterkapelle in Friedrichshain. Auch ihr Vorgespräch mit der Jury sei sehr unglücklich verlaufen: "Es ist zunächst nur eine Vermutung, doch die Sorge, dass die Fördermittel ausbleiben, ist sehr groß." Im Vorgespräch sei es gar nicht zu inhaltlichen Themen gekommen, die Jury habe sich wenig interessiert gezeigt.

"Es bleibt ein ungutes Gefühl", erzählt Emig-Könning. "Wir müssen uns ohnehin mit sehr wenig Geld über Wasser halten, oft bedeutet das für die Schauspieler Low- oder gleich No-Budget-Produktionen. Ohne Subventionen kann sich unser Haus im Grunde nicht mehr halten. Und wir sind immerhin das einzige Theater in Friedrichshain."

Die Mitglieder der Jury waren telefonisch nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Der Senat, vertreten durch den Sprecher der Senatsverwaltung für Kultur, Diedrich Wulfert, betont, in der Frage der zukünftigen Subventionierung der beiden Theater gebe es bislang keine Entscheidung: "Es haben zwar Gespräche stattgefunden, das Ergebnis steht aber noch nicht fest."

"Das wird sich erst im Laufe des Aprils entscheiden", urteilt Christiane Zieseke aus der Kulturverwaltung. Insgesamt beläuft sich die Förderung freier Theatergruppen durch den Senat auf beinahe 3 Millionen Euro pro Jahr. Rund 100 Häuser würden mit diesem Etat gefördert, schätzt Zieseke. Die Höhe dieser Summe sei in den vergangenen fünf Jahren gleich geblieben.

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