Liberia wird politischer Vorreiter in Afrika

Mit Ellen Johnson-Sirleaf als neuer Präsidentin von Liberia kürt das Wahlvolk in Afrika zum ersten Mal eine Frau zur Siegerin. Der unterlegene Fußballstar George Weah spricht von Wahlbetrug. Johnson-Sirleaf appelliert an UNO, in Liberia zu bleiben

VON DOMINIC JOHNSON

Ellen Johnson-Sirleaf hat die Präsidentschaftswahlen in Liberia gewonnen. Die 67-jährige Wirtschaftsexpertin Ellen Johnson-Sirleaf setzte sich in der Stichwahl vom Dienstag klar gegen den 33-jährigen Fußballstar George Weah durch. Nach Auszählung von 91 Prozent der Stimmen lag Johnson-Sirleaf gestern früh mit 59 Prozent uneinholbar vor Weah mit 41 Prozent. Johnson-Sirleaf wird damit die erste gewählte Staatschefin Afrikas.

„Dies öffnet die Tür für Frauen auf dem gesamten Kontinent“, freute sich Johnson-Sirleaf. „Und ich bin stolz darauf, dass ich diejenige bin, die die Tür öffnet.“ Sie rief Weah dazu auf, seine Niederlage zu akzeptieren, und bot ihm einen Regierungsposten an.

Weahs Partei Koalition für Demokratischen Wandel (CDC) hatte zuvor Betrugsvorwürfe erhoben. Wahlurnen seien mit vorab für Johnson-Sirleaf ausgefüllten Stimmzetteln gefüllt worden. „Kein Weah, kein Frieden!“, skandierten junge Anhänger Weahs vor seinem Hauptquartier in Monrovia am Donnerstag. Der populistische Fußballstar wird vor allem von demobilisierten Kämpfern einstiger Rebellengruppen unterstützt.

Johnson-Sirleaf versprach, die Reintegration einstiger Kindersoldaten in die Gesellschaft werde für sie als Präsidentin Priorität haben. „Wir wissen, dass sie enttäuscht sind, dass ihr Kandidat nicht gewonnen hat, aber in der Politik ist es wie im Fußball: Nicht jeder gewinnt“, erklärte sie. Sie appellierte an die UNO, die in Liberia die zweitgrößte Blauhelmmission der Welt unterhält, ihre Truppen im Land zu behalten. Außerdem kündigte sie eine Nationalkonferenz zum Wiederaufbau des von 14 Jahren Bürgerkrieg verwüsteten Landes an.

Sämtliche Wahlbeobachter zeigten sich mit der Wahl zufrieden und nannten sie „frei und fair“. In einer Wahlanalyse führte die liberianische Exilzeitung The Perspective gestern Weahs Niederlage darauf zurück, dass er auf die Parole gesetzt habe, dass Liberias gebildete Elite gescheitert sei und jetzt ein Mann aus dem Volke an die Macht müsse. „Es stimmt, dass nur 20 Prozent unseres Volkes lesen und schreiben können – aber das hat nichts damit zu tun, wie viele von ihnen an Bildung als Weg zum Erfolg glauben“, schrieb die Zeitung.

Die erste Herausforderung für Johnson-Sirleaf wird der Umgang mit den Antikorruptionsabkommen sein, die die Übergangsregierung des bisherigen Präsidenten Gyude Bryant im September mit der internationalen Gebergemeinschaft geschlossen hatte. Darin bekommen ausländische Berater in Schlüsselministerien ein Vetorecht über Ministerialentscheidungen. Johnson-Sirleaf hatte diese Vereinbarung, die vermutlich im Hinblick auf einen Wahlsieg Weahs getroffen worden war, als Preisgabe der nationalen Souveränität scharf kritisiert.