"Kein Gefühl unmittelbarer Bedrohung": Lahmer Marsch an Ostern

50 Jahre nach den ersten Ostermärschen werden in diesem Jahr voraussichtlich nur wenige Menschen für den Frieden auf die Straße gehen. Der Bewegung fehlt die Zuspitzung.

Demonstranten tanzen in Nordbrandenburg während des Ostermarsches 2006 gegen den Truppenübungsplatz "Bombodrom". Bild: ap

BERLIN taz/dpa Die Friedensfahnen wehen wieder: 50 Jahre nach den ersten Ostermärschen hat die Bewegung für Frieden und Abrüstung ihre diesjährigen Aktionen in Erfurt, Suhl und Gammertingen gestartet. Bis Ostermontag sind bundesweit rund 70 Märsche geplant. Im Mittelpunkt steht die Forderung nach Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan; weitere Themen sind der Irak-Krieg und der israelisch-palästinensische Konflikt.

Mit einer hohen Beteiligung rechnen die Friedensbewegten jedoch selbst nicht. Uli Cremer von der grünen Friedensinitiative erwartet "nur ein paar Tausend Leute" auf dem traditionell größten Ostermarsch in Wittstock nördlich von Berlin, wo gegen einen Trainingsplatz für Bombenabwürfe protestiert wird. "Für eine Mobilisierung der Menschen fehlt es gerade an politischer Zuspitzung", vermutet Cremer.

Die Friedensfrage brenne den Menschen momentan nicht unter den Nägeln, sagt auch Peter Strutynski, Sprecher des "Bundesausschusses Friedensratschlag", der die Ostermärsche initiiert. Eine Mehrheit der Deutschen lehne den Bundeswehr-Einsatz am Hindukusch zwar ab, "aber es ist kein existenzielles Anliegen".

Genau das wäre aber eine der notwendigen Bedingungen für eine hohe Beteiligung, sagt der Friedensforscher Matthias Dembinski von der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung in Frankfurt am Main. "Es muss das Gefühl einer unmittelbaren Bedrohung geben und das Gefühl, dass im eigenen Land politisch etwas falsch läuft, gegen das man demonstrieren muss", sagt Dembinski. Beim Afghanistan-Einsatz sei letzteres nach Ansicht vieler zwar der Fall, aber die Menschen "sehen sich vom ,Falschlaufen' nicht unmittelbar bedroht".

Das war bei den ersten Ostermärschen vor 50 Jahren noch anders.( )1958 zogen vier Tage lang Tausende Atomwaffengegner von London aus zum Atomforschungszentrum Aldermaston. Zwei Jahre später gingen in Deutschland erstmals 1000 Ostermärschler auf die Straße. Angesichts der Empörung über den Vietnamkrieg stieg die Teilnehmerzahl 1968 in Deutschland auf 300.000. An Ostern 1983 beteiligten sich bundesweit 700.000 Menschen an Demonstrationen und Kundgebungen gegen die Stationierung von Atomwaffen in Deutschland. Der Beginn des Irak-Kriegs 2003 trieb die Ostermärschler ebenfalls in Massen auf die Straße. Doch nach den erfolglosen Demonstrationen gegen die US-Politik ebbte der Zulauf in den Folgejahren wieder stark ab. "Dieser Krieg ist nicht verhindert worden", sagt Strutynski, Sprecher des "Bundesausschusses Friedensratschlag" . "Viele sagen jetzt: Ich bin dagegen, aber was nützt es, wenn ich auf die Straße gehe?"

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