Polit-Talk in der ARD: Plasberg harmlos, aber fair

Frank Plasberg trat mit "Hart aber fair" in der ARD an, um die weichgespülte Polit-Talkshow zu revolutionieren. Und fabriziert nun doch bloß den gleichen Einheitsbrei.

Nicht mehr hart - nur noch fair: Frank Plasberg. Bild: wdr/görgen

BERLIN taz Es hatte was von einer Märchenstunde in Frank Plasbergs rot-blauem "Hart aber fair"- Studio am Mittwoch Abend. Zum Thema "Wegschauen oder eingreifen - wie viel Zivilcourage trauen wir uns zu?" - ein an Konfliktfreiheit kaum zu überbietender Stoff - lud sich der Berufsfrager eine auf den ersten Blick heterogene Gesprächsrunde ein: Schauspieler Michael Degen, den ehemaligen Ersten Bürgermeister der Stadt Hamburg, Klaus von Dohnanyi, dazu den Sänger der Prinzen, Sebastian Krumbiegel sowie, derzeit in Deutschlands Polit-Talkshowwelt extrem en vogue, eine Frau aus dem Volk: Kerstin Marschall, ihres Zeichens Tägerin des "XY"-Preises für Zivilcourage, den sie erhielt, weil sie einen Vergewaltiger in die Flucht schlug und so einer jungen Frau schwere Gewalt ersparte. So weit, so gut.

Dann ging die Märchenstunde ihren Gang: Frau Marschall durfte ihre ganz persönliche Heldengeschichte wiedergeben, erntete von den Kollegen anerkennendes Nicken wie Szenenapplaus. Ein zugegbenermaßen rührend erzählender und dabei selbst sichtlich gerührter Michael Degen sinnierte in seinen Kriegserinnerungen - wie ihm als jüdisches Kind von einer deutschen Frau Obhut gewährt und Schutz gegeben wurde. Eine wahrlich ergreifende Geschichte, die er gern bei Gero von Boehm oder Reinhold Beckmann zum Besten geben kann, die bei "Hart aber fair" jedoch nichts verloren hat.

Ebensowenig wie Humorbarde Krumbiegel, der 2003 von Skinheads überfallen wurde und sich seither nicht nur gegen Rechtsextremismus stark macht, sondern einen regelrechten Engagementmarathon hinlegt (krebskranke Kinder, Hunger, Landminen, Flüchtlinge). Und darüber hinaus in DDR-Erinnerungen schwelgte und von Zusammenhalt faselte. Und schließlich Klaus von Dohnanyi, ein kleiner Lichtstreif am Horizont, wusste er doch wenigstens ethymologisch und historisch etwas zum Thema beizutragen. Außerdem sprang der SPD-Politiker der Hessen-SPD-Dissidentin Dagmar Metzger zur Seite, der er "wahrhafte Zivilcourage" attestierte. So nahm wenigstens einer das Konzept der Sendung, einer politischen wohlgemerkt, ernst.

Nun schmissen die vier Gäste in der wohl nicht zufällig von sonst 75 auf nun 60 Minuten verknappten Sendung mit Allgemeinplätzen um sich, klopften sich gegenseitig auf die Schulter und wurden in jedem Anflug von Gesprächskultur von Plasberg unterbrochen, der entweder auf Teufel komm raus seinem Ruf gerecht zu werden versuchte, in dem er "hart" nachfragte, wo es nichts nachzufragen gab. Oder die Runde mit einem seiner insgesamt zehn (!) Einspieler belästigte. Die Filmchen, die sonst dem Fortkommen der Diskussion dienen und sie einheizen sollen, untermalten bloß den weichgespülten Sound der Sendung. Und offenbarten darüber hinaus die Verfehlungen in der Konzeption: So wurde dem stellvetretenden Chefredakteur der Financial Times Deutschland, Stefan Weigel, der nach der Hatz in Mügeln im August 2007 einen polemischen Kommentar über die Forderungen nach mehr Zivilcourage verfasst hatte, lediglich eine MAZ gewidmet, anstelle ihn einfach einzuladen, um der Diskussion wenigstens einen Hauch von Konfliktpotenzial zu verleihen.

Plasberg war mit "Hart aber fair" vom WDR in die ARD gewechselt, um der lahmen Talkshowkultur sein mehrfach ausgezeichnetes Format vor einem breiteren Publikum entgegenzustellen. Um den Christiansens, Wills und Illners die Stirn zu bieten und eben nicht in dem wohligen Einheitsbrei herumzurühren, der die Sendungen seiner Kolleginnen oft so unerträglich macht. Jetzt findet er sich genau dort wieder.

Dabei hätte es doch gerade in dieser Woche wirklich andere Themen gegeben, die dringend diskutiert werden müssten: Der Boykott der Olympischen Spiele in Peking oder die Finanzkrise etwa. Zu WDR-Zeiten war es stets Plasberg, der sich an derart heikle Themen wagte. Der Gäste einlud, die sich mit kontroversen Argumenten reizten. Und der sich nicht scheute, konfrontativ, beinahe aggressiv nachzuhaken. Nach früheren "Hart aber fair"-Sendungen hatte man das Gefühl, etwas gelernt zu haben. Diesmal blieb selbst Frank Plasberg nur das wenig erhellende Fazit: "Wir haben alle gelernt, wie wichtig Zivilcourage ist." Ein Trauerspiel.

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