Report über Gewaltakte in Kenia: Politiker planten ethnische Massaker

Human Rights Watch legt einen Bericht über das Ausmaß der Planung von Gewaltakten nach Kenias Wahlen vor. Oppositions- und Regierungslager mobilisierten gleichermaßen.

NAIROBI taz Die Radiodurchsage klang nur für Außenseiter unverständlich: "Milchmänner, bereitet euch darauf vor, das Gras abzusäbeln", riefen Moderatoren schon Tage vor Kenias Wahl am 27. Dezember ins Mikrofon des Senders in der Stadt Eldoret. Die Angehörigen der Kalenjin-Volksgruppe, traditionell nomadische Rinderzüchter, verstanden sofort, dass sie die Milchmänner waren - und das Gras waren die Kikuyu, sesshafte Bauern, die ihr Land seit den 60er Jahren von der Regierung erhalten hatten.

Auch Politiker des ODM-Bündnisses von Oppositionsführers Raila Odinga riefen im Wahlkampf zur Gewalt gegen die Kikuyu-Ethnie des amtierenden Präsidenten Mwai Kibaki auf: "Die Politiker und die Ältesten in den Dörfern haben uns gesagt: Beginnt den Krieg gegen die Kikuyu, wenn sich ein Sieg für Kibaki abzeichnet", zitiert ein am Montag vorgestellter Bericht der Menschenrechtsgruppe Human Rights Watch (HRW) einen Bewohner des Dorfes Turbo nahe Eldoret. Er schildert die Planungen: "Erst verbrennen wir alle Hütten in und um Turbo, und dann ziehen wir nach Eldoret und machen dort weiter." Mehr als 1.000 Menschen kamen offiziellen Zahlen zufolge in den Kämpfen um, die überall in Kenia aufflammten; 500.000, so schätzt HRW, wurden vertrieben. Der Bericht legt dar, dass die Gewalt nicht spontan entbrannte, sondern geplant und von Politikern angestachelt wurde.

Erschütternd ist der Report, weil er detailliert erklärt, wie es in einem scheinbar so friedlichen Land wie Kenia zur schlimmsten Krise seit der Unabhängigkeit 1963 kommen konnte. HRW-Afrika-Experte Ben Rawlence gibt den Regierungen der Industrieländer eine Mitschuld: "Weil sie jahrzehntelang Korruption, Straflosigkeit und Missmanagement in Kenia ignoriert haben." Ohne Druck von außen, so befürchtet er, wird auch die gerade erst vereinbarte Koalitionsregierung mit Gewalt und Korruption weitermachen.

Die Interviews mit Betroffenen zeigen, wie sich die Gewalt verselbstständigte: Wer nicht zu Treffen seiner Volksgruppe erschien, musste befürchten, dass sein eigenes Haus angezündet wird. Bei den Planungstreffen selbst wurde Gruppendruck ausgeübt: "Es ist schwer, mit 300 gewaltbereiten Jugendlichen nicht einer Meinung zu sein", wird ein alter Mann aus der Nähe von Eldoret zitiert. In Naivasha, wo später Kikuyu gegen Kalenjin und Luo zu Felde zogen, wurden die Massaker ebenfalls geplant. Bekannte Geschäftsleute ließen alle jungen Männer mit Taxis einsammeln und gaben ihnen Anweisungen. "Man hat uns 150 Euro für jeden geköpften Luo versprochen", berichtet einer.

HRW fordert von der am Donnerstag benannten kenianischen Untersuchungskommission, die vom südafrikanischen Richter Johann Kriegler geführt wird, eine rückhaltlose Aufklärung der Massaker. Vor allem die Rolle der Polizei ist zwielichtig: Mancherorts schienen die Polizisten von den Milizen überwältigt, anderswo hielten sie sich auffällig zurück.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.