Hertha I: Hertha versinkt in Zukunftsträumen

Nach einer ruhigen Partie trennen sich Berlin und Rostock 0:0. Hauptstreitpunkt war ein nicht anerkanntes Abseitstor der Gastgeber. Bei Hertha diskutiert man unterdessen bereits über die nächste Saison.

Es zeugt nicht von hoher Qualität eines Fußballspiels, wenn die Beteiligten danach zu vielem befragt werden, nur nicht zum Spiel. Marc Stein zum Beispiel, Verteidiger des FC Hansa, redete kurz über das mäßige 0:0 seiner Rostocker gegen Hertha BSC, ehe er sich für seinen ausgebliebenen Trikottausch rechtfertigen musste. "Den brauchte ich nicht", sagte Stein. "Hertha-Trikots werde ich nächste Saison genug haben."

Der 22-Jährige wechselt im Sommer nach Berlin, darüber wurde in den Katakomben viel gesprochen. Schließlich hat der Hauptstadtklub zuletzt so viele Wechsel vermeldet, dass bei einer spontanen Zählung Schwindelgefühle nicht auszuschließen sind. In Rostock wirkte es so, als würden die Berliner ihr Leben lieber in der Zukunft führen. Wäre die Zeitmaschine bereits erfunden, sie wären vermutlich grußlos davongebraust.

Auch Herthas Manager Dieter Hoeneß hielt sich nicht lange mit der blassen Darbietung seiner Mannschaft auf, die in einem parierten Flachschuss von Raffael (15.) und in einem Pfostenschuss von Solomon Okoronkwo (25.) ihre Höhepunkte hatte. Hoeneß rügte das umständliche Offensivspiel, kritisierte den Rasen, der eine bessere Schafskoppel war, und warf dann viele Blicke in die Zukunft. Dass der FC Hansa durch ein zu Unrecht aberkanntes Abseitstor durch Enrico Kern (31.) das Spiel hätte gewinnen müssen, wurde nur am Rande debattiert. Während Rostocks Trainer Frank Pagelsdorf sich frustriert in die Schar der Videobeweisverfechter einreihte, sprach Dieter Hoeneß über den Berliner Bienenschwarm und das Kommen und Gehen.

In dieser Hinsicht hatte Hertha BSC zuletzt in der vergangenen Woche mit der Abgabe des Stammspielers Malik Fathi überrascht. Der Verteidiger wechselte für vier Millionen Euro zu Spartak Moskau. Mit Fathi ging seit Sommer 2007 bereits der zehnte Spieler, der es aus Herthas Nachwuchszentrum bis in die erste Mannschaft geschafft hatte. Dem Verein drohten zuletzt sogar die deutschen Lizenzspieler auszugehen. Jeder Bundesligist muss mindestens zwölf einheimische Profis im Aufgebot haben. Hertha aber hatte nach Fathis Weggang nur noch elf - deswegen erhielt der A-Jugend-Spieler Sascha Bigalke, 18, am Freitag einen Profivertrag.

Erst im vergangenen Jahr wurde Hertha für seine eigenen Talente gepriesen; inzwischen schnappt sich der Klub die Jugend der Konkurrenz. Auch in der Startelf in Rostock waren fünf Spieler 22 Jahre alt oder jünger, mit Ebert und Okoronkwo stammten jedoch nur zwei aus der eigenen Schule. Die anderen - Kacar, Lustenberger und Raffael - sind neu in Berlin.

Die Berliner wollen das nicht als Strategiewechsel verstanden wissen. Sie haben durch die Verkäufe rund 15 Millionen Euro eingenommen. Dieses Geld wurde und wird weiter in neues Personal investiert - und womöglich sogar in altes: Der serbische Stürmer Marko Pantelic, in dieser Spielzeit mit elf Treffern bislang bester Berliner Torschütze, soll laut einem Zeitungsbericht einen Vierjahresvertrag fordern, mit einem Gehalt von mehr als dreieinhalb Millionen Euro pro Jahr.

Dieter Hoeneß wollte die Spekulationen nicht kommentieren. Pantelic, dessen Vertrag ohne Ausstiegsklausel noch bis 2009 läuft, trennte sich vor kurzem von seinen Beratern und wird neuerdings von einem Berliner Anwalt vertreten. Im April soll es das nächste Verhandlungsgespräch geben.

In Rostock spielte Pantelic übrigens nicht, er war wegen einer Wadenverletzung kurzfristig ausgefallen. Natürlich habe er dem Angriffsspiel gefehlt, sagte Hoeneß, aber auch das war nicht lange der Rede wert. Selbst der Fakt, dass Hertha sein 900. Bundesligaspiel bestritt und seit nunmehr sechs Partien unbesiegt ist, fand kaum Erwähnung. Die Zukunft der Großbaustelle BSC hatte Vorrang.

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