Arbeitsgruppe Sicherheit der CDU: Koch plötzlich ganz soft

Als Chef der CDU-Arbeitsgruppe "Sicherheit im öffentlichen Raum" setzt Roland Koch voll und ganz auf Präventionsarbeit. Vom "Schlachten in der Wohnküche" ist nicht mehr die Rede.

Schließt nun die Augen vor dem Verbrechen: Roland Koch. Bild: dpa

BERLIN taz Muss Roland Koch mehr als sechs Wochen nach der hessischen Wahl wirklich noch über Jugendgewalt reden? Über das Thema, mit dem der Ministerpräsident im Januar seine Landtagsmehrheit verloren hat und das nun an ihm klebt wie Pech?

Ja, er muss. Sonst könnten, so Koch, "Menschen den Eindruck gehabt haben, dass wir mit dem Thema nur im Wahlkampf argumentieren". Und weil man diesen Eindruck unbedingt zerstreuen muss, tagte gestern in der Berliner CDU-Zentrale noch einmal die Arbeitsgruppe "Sicherheit im öffentlichen Raum". Jenes Gremium also, das mitten im hessischen Wahlkampf von der Bundespartei eingerichtet worden war, um das Thema wieder einzufangen.

In der Gruppe war Koch eingerahmt von Christdemokraten wie dem Stuttgarter Oberbürgermeister Wolfgang Schuster, der schon mitten im Hessen-Wahlkampf härtere Strafen für überflüssig erklärt und stattdessen lieber die vielfältigen Präventionsprojekte in der heimischen Schwabenmetropole gelobt hatte. Beteiligt waren außerdem der Berliner Oppositionsführer Friedbert Pflüger, die niedersächsische Justizministerin Elisabeth Heister-Neumann, Bundestags-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach und Innenminister Wolfgang Schäuble.

Herausgekommen ist ein Papier, das zwar als siebten Spiegelstrich zum dritten Unterpunkt noch immer die zwingende Ausweisung ausländischer Straftäter nach einem Jahr Haft ohne Bewährung verlangt, das aber sonst auf fünf von sechs Seiten die Vorzüge frühzeitiger Präventionsarbeit rühmt. Von Erziehung und Integration ist dort die Rede, von Bildung und kommunalen Sicherheitspartnerschaften.

Damals im Wahlkampf. Bild: dpa

Folglich war Koch gestern in der ungewohnten Rolle des Sozialpädagogen zu erleben. Zu keinem Zeitpunkt habe die "Konzentration auf staatliche Möglichkeiten" bedeutet, "dass wir ein geringeres Interesse an Prävention hätten", beteuerte der Ministerpräsident. Aus dem Hessen-Wahlkampf müsse man "an Erfahrungen auch mitnehmen", dass "der eine oder andere durch Pauschalisierung verletzt" worden sei. Dabei gehöre doch auch "die große Mehrheit mit Migrationshintergrund zu denjenigen, die Schutz vor Kriminalität suchen". "Mit Migrationshintergrund" - eine Vokabel, die eher nicht zum Repertoire von Kochs "Ausländer"-Wahlkampf gehört hatte. Vom "Schlachten in der Wohnküche", das Koch Anfang Januar gegeißelt hatte, war gestern keine Rede mehr. "Beratung von Familien", "Qualifizierung von Erziehern", "Netzwerke", "Selbstorganisation": Dem Mund des Ministerpräsidenten entwich ein ganzer Schwall von Vokabeln, die zu dem Bild des harten Hessen so gar nicht passen wollten.

Besonders großes Lob hielt Koch für Schusters Stuttgarter Modellprojekte bereit. Bei den "Häusern des Jugendrechts", die in der baden-württembergischen Landeshauptstadt Justizbehörden und Hilfsangebote bündeln, handele es sich um eine "exportfähige Erfahrung".

An die Wahlkampfdebatte über Personaleinsparungen bei hessischer Justiz, Polizei und Jugendhilfe mochte sich Koch gestern nicht mehr erinnern. Er wies darauf hin, dass jeder hessische Polizeibeamte unter seiner Ägide einen eigenen Computer bekommen habe, und Einsatzfahrzeuge nun nicht mehr älter als fünf Jahre sein dürften. Eine bessere Ausstattung der Sicherheitsbehörden wird in dem CDU-Papier wohlweislich nicht gefordert.

Jedes Mal, wenn Koch eine Frage mit einem weitschweifigen Exkurs über "Prävention" beantwortete, huschte ein Lächeln über das Gesicht des neben ihm stehenden CDU-Generalsekretärs. Es hatte fast etwas von einer öffentlichen Vorführung, wie Ronald Pofalla der Presse den gezähmten Koch präsentierte - mit dem zweischneidigen Bekenntnis, die innere Sicherheit gehöre zu den "Kernkompetenzfeldern der Union", mit denen man auch im bevorstehenden Bundestagswahlkampf 2009 punkten wolle. Es klang, als habe Kochs fehlgeleitete Kampagne womöglich eine Zeit lang daran zweifeln lassen.

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