Kommentar Linkspartei: Was nach dem Protest kommt

Die Linkspartei bindet im Westen, wie die PDS im Osten in den 90ern, Teile der autoritätsfixierten Unterschicht ins demokratische System ein. Eine zivilisatorische Leistung.

Eigentlich können sich alle Demokraten bei der Linkspartei bedanken. Seit sie im Westen bei Wahlen antritt, sind Rechtsextreme chancenlos. Das war in Bremen, Niedersachsen, Hessen und Hamburg so. Vor allem Arbeitslose fühlen sich von Lafontaines Sozialpopulismus angesprochen. Kein Wunder - im bundesdeutschen Diskurs kommen sie, wenn überhaupt, nur als Schwererziehbare oder lästige Kostenfaktoren vor. So bindet die Linkspartei im Westen, genauso wie die PDS im Osten in den 90er-Jahren, Teile der eher autoritätsfixierten Unterschicht in das demokratische System ein. Mag sein, dass man darüber im schwarz-grünen Milieu die Nase rümpft. Doch dies ist eine kaum zu überschätzende zivilisatorische Leistung.

Allerdings ist dies auch ein Problem der Linkspartei. Bei der Hamburg-Wahl war abzulesen, was Lafontaines ruppiger agitatorischer Stil bringt - und was nicht. In Hamburg hat die Linkspartei fast nur ihre Unterschichtsklientel mobilisiert. Die Exgrünen und frustrierten Sozialdemokraten aus der Mittelschicht hingegen blieben, anders als in Hessen und Niedersachsen, zu Hause - offenbar wegen der DKP-Kandidaten bei den Linken. Der Klientel, die auch eine glaubwürdige Geschichtspolitik und eine realistische Reformpolitik will, reicht Lafontaines krachende Oppositionsrhetorik nicht.

Dahinter schimmert die zentrale Frage durch, um die sich die Linkspartei bislang erfolgreich gedrückt hat: Will sie wirklich nur eine soziale Protestpartei sein? Die Linkspartei hat - da hat Lafontaine recht - die politische Tagesordnung nachhaltig verändert. Sie hat geholfen, den neoliberalen Dauerton zu unterbrechen, der SPD den Mindestlohn aufgenötigt und die Union zu Korrekturen gezwungen. Das sind zweifellos ihre Verdienste. Und jetzt?

Lafontaine scheint die Partei mit aller Macht auf die Rolle der Protestpartei festzulegen, die staatsfixiert und populistisch ist. Vielen jüngeren Reformern ist das zu eng, auch zu rückwärtsgewandt. Den offenen Konflikt mit Lafontaine wagen sie nicht, noch nicht. Dazu verdankt ihm die Partei zu viel. Doch die entscheidende Antwort, was aus der Linkspartei wird, die wird nicht Lafontaine geben.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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