Eine Kneipentour durch Prishtina: "Auf die Unabhängigkeit!"

Das Kosovo ist unabhängig, die Menschen im Ausnahmezustand. Sie schwenken Flaggen, tanzen, undfeiern - mit reichlich Alkohol. Ein Ortstermin.

Prishtina im Freudentaumel. Bild: ap

PRISHTINA taz Oh toll", ruft ein Kollege aus Hamburg, "hier spürt man noch den Sozialismus." Die Euphorie des Nostalgikers bekommt jedoch schon den ersten Dämpfer, als er über die zerschlissenen Teppiche im zweiten Stock schreitet und in das Zimmer mit den tropfenden Wasserhähnen tritt. Im Café-Restaurant mit den Stühlen aus verblichenem roten Stoff beruhigt er sich wieder. Denn die in schwarze Anzüge gekleideten und sich nach alter Schule höflich korrekt verhaltenden Kellner eilen flugs herbei, um Kaffee und Schnaps vom Hause anzubieten, und das in vielen Sprachen: nicht nur auf Englisch, sondern auch auf Deutsch, Serbisch, Türkisch und natürlich auf Albanisch können sie freundlich kommunizieren.

"You not", ruft dagegen der grimmig blickende Türsteher im Gedränge schräg gekleideter Jugendlicher. Ein junger Mann im Designeranzug hat sich den auf dem Hinterkopf getragenen traditionellen runden Filzhut der Albaner keck nach vorne ins Gesicht gedrückt. Wilde weibliche Frisuren gucken aus der Menge, in der sich tanzende Paare vergeblich Platz zu schaffen suchen. Angesichts des Bevölkerungsdurchschnitts von 22 Jahren kommt sich schon ein 40-jähriger im Kosovo als Methusalem vor, wie dann ein noch Älterer?

Hier vor dem großen Saal des Hotels, wo am Abend eine Unabhängigkeit gefeiert wird, ist das alles noch extremer. Der Ruf eines 25-jährigen stadtbekannten Filmemachers, "Erich, komm doch rein!" rettet die Situation. Umringt von einer Gruppe fabelhaft gestylter Schauspielerinnen, laut nach Drinks rufenden Filmemachern aus Italien und umringt von zwei schon ziemlich angetrunkenen, in Berlin lebenden Nachwuchsjournalisten aus Spanien und Israel, wird wie von Zauberhand sogar noch ein Sitzplatz in einem der wenigen Tische freigemacht. Für eine doch irgendwie als muslimisch geltende Gesellschaft fließt im Kosovo der Alkohol nicht nur hier äußerst reichlich. Mehrere Runden eines mit Zitronensaft gemischten stark alkoholischen Getränkes lässt auch den Balkanveteran in den Technorhythmus fallen. Zeit, um mal wieder den Platz zu wechseln.

Der Türsteher verabschiedet diesmal freundlich artig die scheidenden Gäste. Draußen auf dem Mutter Teresa Boulevard hat sich die fahnenschwenkende Menge noch nicht aufgelöst. Ein bekannter Diplomat rät zum gesitteten Umtrunk in eines der stilvollen und doch preiswerten neuen Restaurants der Stadt. Bei Skenderbeg-Rolle, Salat und Wein wird natürlich politisch diskutiert. Auch einer der neuen Minister nimmt in der Runde Platz. Ausgerechnet der rümpft die Nase. Denn die aus Ländern stammende Gesellschaft, die ein striktes Rauchverbot eingeführt haben, steckt sich ungeniert Zigaretten an. Immerhin bleibt er der Einzige, der die Stimmung zu vermiesen sucht. Und an diesem Abend über ein Rauchverbot im Kosovo zu diskutieren ist ja wirklich fehl am Platz. Das hat es nie gegeben. Und wird es vielleicht doch? Schließlich werden nicht nur die albanischen, sondern vor allem amerikanische Fahnen geschwenkt. Danke, Amerika. Selbst im Restaurant. Und was die Freundschaft zu den USA zukünftig für Raucher bedeutet, braucht ja wohl niemand noch zu betonen.

Es muss an einem solchen Abend noch ein Absacker her. Und den holt man sich im Torina. Mit schwerem roten Wein aus Rahovec. Und mit alten Freunden. Biroll, der aus der türkischen Minderheit stammende Musiker und Übersetzer für viele Journalisten aus alten Kriegszeiten. Oder Bujar, der Abgeordnete, hat auch noch ein paar Minuten Zeit gefunden. Der mit allen ausländischen Gästen grundsätzlich serbisch sprechende Chef lädt natürlich ein. Und Fatmir, der alte Kämpfer der UÇK, streitet sich mit einer Südtirolerin, die bei der neuen EU-Mission als juristische Beraterin angeheuert hat, über Autonomiestatute und Unabhängigkeitserklärungen. Jetzt wird andere Musik gemacht. Nämlich albanische. Orientalisch klingend. Eigentlich wie die serbische moderne Folkloremusik. Aber doch ein bisschen anders. Ein eingehender Rhythmus, der den ganzen Körper mitnimmt.

Der schwere Kopf am Morgen ist bald wieder mit einem Spaziergang durch die von Knallfröschen und Überresten der Feuerwerksraketen verschmutzten Straßen aufgehellt. Es ist zu spannend, was im Kosovo passiert. Immerhin wurde das Zimmer im Afa-Hotel rechtzeitig gebucht. Hier sind die Räume groß , es gibt Satellitenfernsehen und eine riesige Badewanne. Schnickschnack, den man in einer solchen aufregenden Lage wirklich nicht braucht. Aber den wireless Internetkontakt: Der ist angesichts des Dieselnotaggregats sogar stomausfallresistent.

"Oh toll", ruft ein Kollege aus Hamburg, "hier spürt man noch den Sozialismus." Die Euphorie des Nostalgikers bekommt jedoch schon den ersten Dämpfer, als er über die zerschlissenen Teppiche im zweiten Stock schreitet und in das Zimmer mit den tropfenden Wasserhähnen tritt. Im Café-Restaurant mit den Stühlen aus verblichenem roten Stoff beruhigt er sich wieder. Denn die in schwarze Anzüge gekleideten und sich nach alter Schule höflich korrekt verhaltenden Kellner eilen flugs herbei, um Kaffee und Schnaps vom Hause anzubieten, und das in vielen Sprachen: nicht nur auf Englisch, sondern auch auf Deutsch, Serbisch, Türkisch und natürlich auf Albanisch können sie freundlich kommunizieren.

"You not", ruft dagegen der grimmig blickende Türsteher im Gedränge schräg gekleideter Jugendlicher. Ein junger Mann im Designeranzug hat sich den auf dem Hinterkopf getragenen traditionellen runden Filzhut der Albaner keck nach vorne ins Gesicht gedrückt. Wilde weibliche Frisuren gucken aus der Menge, in der sich tanzende Paare vergeblich Platz zu schaffen suchen. Angesichts des Bevölkerungsdurchschnitts von 22 Jahren kommt sich schon ein 40-jähriger im Kosovo als Methusalem vor, wie dann ein noch Älterer?

Hier vor dem großen Saal des Hotels, wo heute Abend eine Unabhängigkeit gefeiert wird, ist das alles noch extremer. Der Ruf eines 25-jährigen stadtbekannten Filmemachers, "Erich, komm doch rein!" rettet die Situation. Umringt von einer Gruppe fabelhaft gestylter Schauspielerinnen, laut nach Drinks rufenden Filmemachern aus Italien und umringt von zwei schon ziemlich angetrunkenen, in Berlin lebenden Nachwuchsjournalisten aus Spanien und Israel, wird wie von Zauberhand sogar noch ein Sitzplatz in einem der wenigen Tische freigemacht. Für eine doch irgendwie als muslimisch geltende Gesellschaft fließt im Kosovo der Alkohol nicht nur hier äußerst reichlich. Mehrere Runden eines mit Zitronensaft gemischten stark alkoholischen Getränkes lässt auch den Balkanveteran in den Technorhythmus fallen. Zeit, um mal wieder den Platz zu wechseln.

Der Türsteher verabschiedet diesmal freundlich artig die scheidenden Gäste. Draußen auf dem Mutter Teresa Boulevard hat sich die fahnenschwenkende Menge noch nicht aufgelöst. Ein bekannter Diplomat rät zum gesitteten Umtrunk in eines der stilvollen und doch preiswerten neuen Restaurants der Stadt. Bei Skenderbeg-Rolle, Salat und Wein wird natürlich politisch diskutiert. Auch einer der neuen Minister nimmt in der Runde Platz. Ausgerechnet der rümpft die Nase. Denn die aus Ländern stammende Gesellschaft, die ein striktes Rauchverbot eingeführt haben, steckt sich ungeniert Zigaretten an. Immerhin bleibt er der Einzige, der die Stimmung zu vermiesen sucht. Und an diesem Abend über ein Rauchverbot im Kosovo zu diskutieren ist ja wirklich fehl am Platz. Das hat es nie gegeben. Und wird es vielleicht doch? Schließlich werden nicht nur die albanischen, sondern vor allem amerikanische Fahnen geschwenkt. Danke, Amerika. Selbst im Restaurant. Und was die Freundschaft zu den USA zukünftig für Raucher bedeutet, braucht ja wohl niemand noch zu betonen.

Es muss an einem solchen Abend noch ein Absacker her. Und den holt man sich im Torina. Mit schwerem roten Wein aus Rahovec. Und mit alten Freunden. Biroll, der aus der türkischen Minderheit stammende Musiker und Übersetzer für viele Journalisten aus alten Kriegszeiten. Oder Bujar, der Abgeordnete, hat auch noch ein paar Minuten Zeit gefunden. Der mit allen ausländischen Gästen grundsätzlich serbisch sprechende Chef lädt natürlich ein. Und Fatmir, der alte Kämpfer der UÇK, streitet sich mit einer Südtirolerin, die bei der neuen EU-Mission als juristische Beraterin angeheuert hat, über Autonomiestatute und Unabhängigkeitserklärungen. Jetzt wird andere Musik gemacht. Nämlich albanische. Orientalisch klingend. Eigentlich wie die serbische moderne Folkloremusik. Aber doch ein bisschen anders. Ein eingehender Rhythmus, der den ganzen Körper mitnimmt.

Der schwere Kopf am Morgen ist bald wieder mit einem Spaziergang durch die von Knallfröschen und Überresten der Feuerwerksraketen verschmutzten Straßen aufgehellt. Es ist zu spannend, was im Kosovo passiert. Immerhin wurde das Zimmer im Afa-Hotel rechtzeitig gebucht. Hier sind die Räume groß , es gibt Satellitenfernsehen und eine riesige Badewanne. Schnickschnack, den man in einer solchen aufregenden Lage wirklich nicht braucht. Aber den wireless Internetkontakt: Der ist angesichts des Dieselnotaggregats sogar stomausfallresistent.

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