Ölverschmierte Seevögel: Nur eine Verlängerung der Qualen

Soll man ölverschmierte Vögel reinigen? Naturschutzexperten befürchten, dass die meisten Tiere sterben werden. Tierschützer sehen sich in der moralischen Pflicht, allen zu helfen.

Verölte Trauerenten warten in der Seevogelrettungsstation Weidefeld in Kappeln auf ihre Behandlung. Bild: dpa

BERLIN taz Über 1.000 ölverschmierte Vögel wurden seit Wochenbeginn an die Nordseeküsten Schleswig-Holsteins gespült. Wieder einmal entbrennt die Diskussion, was zu tun ist. Es gibt Tierfreunde, die Urlaub nehmen und an die Küsten reisen, um bei der Reinigung der Tiere zu helfen. Etwa 240 Seevögel werden derzeit in verschiedenen Rettungsstationen von Tierschützern vom Öl befreit und medizinisch versorgt. Diese Maßnahmen sind allerdings zwischen Tier- und Naturschützern umstritten. Naturschutzexperten sprechen meist von einer unnötigen Verlängerung der Qualen für die Tiere, während Tierschützer eine moralische Pflicht zur Hilfe sehen.

"Wir haben derzeit 90 Vögel, vorwiegend Trauerenten, aufgenommen", erklärt Torsten Schmidt, Leiter der Seevogelrettungsstation Weidefeld in Kappeln der taz. Zunächst werden die Tiere untersucht und stabilisiert, die Reinigung beginnt erst in den kommenden Tagen. "Es ist unsere ethische Verpflichtung, Tieren in Not zu helfen, auch wenn wir wissen, dass nicht alle überleben", so Schmidt. Bei der Havarie des Schiffs "Pallas" vor zehn Jahren konnten knapp ein Viertel der aufgenommenen Vögel wieder freigelassen werden. "Wie viele davon letztendlich auch dauerhaft überlebt haben, wissen wir allerdings nicht", gesteht Schmidt.

Der WWF und die Schutzstation Wattenmeer bewerten die Reinigung von verölten Vögeln als wenig sinnvoll. "Studien belegen, dass von den wieder ausgesetzten Vögeln gerade mal ein bis fünf Prozent das folgende Jahr überstehen", sagt Hans-Ulrich Rösner vom WWF in Husum. Für den Rest bedeute die Reinigungsaktion nur eine Verlängerung der Qualen. In vielen Fällen sei eine Erlösung die sinnvollere Variante. Auch viele Veterinäre sehen die Tierschutzaktionen kritisch. "Die Vögel putzen sich nach einer solchen Verschmutzung selbst und nehmen so Unmenge von Öl auf. Das führt fast immer zum Tod", so Klaus Hartwig, Amtstierarzt im Kreis Dithmarschen.

"Wenn überhaupt, dann haben nur leicht verschmutzte Tiere eine Chance", sagt auch Christian Bussau von Greenpeace. Die bekämen die Tierschützer an den Küsten allerdings oft gar nicht zu fassen, da sie noch relativ fit seien. Die Vögel, die von den Tierschützern medienwirksam eingesammelt werden, seien jedoch oft so schwarz vom Öl, dass sie nicht mehr gerettet werden können. Der Einsatz der Tierschützer sei ehrenwert, aber man müsse auch die reelle Überlebenschance der Tiere einschätzen.

Das eigentliche Problem liege ohnehin ganz woanders. "Härtere Strafen und schärfere Kontrollen der Schifffahrt sowie eine intensivere Überwachung der Meere sind dringend nötig, um solche Ölkatastrophen in Zukunft zu verhindern. Alles andere ist leider nur Kosmetik", so Bussau.

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