"Schwarzsehen" ärgert Pay-TV: Piratenärger bei Premiere

Zum wiederholten Mal ist das digitale Verschlüsselungssystem des Bezahlsenders geknackt worden. Nun müssen Millionen von Smartcards ausgetauscht werden, um den "Volkssport Schwarzsehen" zu beenden.

Wegen der Schwarzgucker: 2007 war kein Milliarden-Jahr für den Bezahlsender Bild: dpa

Wenn sich die vorläufigen Zahlen bewahrheiten, die der Pay-TV-Sender Premiere am Mittwoch bekanntgegeben hat, dann wird der Bezahlkanal 2007 nicht mehr mit einem Milliardenumsatz wie noch im letzten Jahr abschließen können. Nur noch 985 Millionen Euro kamen in die Kasse, bei allerdings steigendem operativem Ergebnis. Einer der Gründe für das Verpassen der psychologisch wichtigen Umsatzmarke könnte sein, dass sich einmal mehr Piraten an Premieres Verschlüsselungssystem zu schaffen gemacht haben - und diesmal besonders gründlich. Ergebnis: Im Ausland kann man inzwischen spezielle Satellitenreceiver erwerben, die das geschützte Signal der Münchner Senderfamilie gleich automatisch entschlüsseln, ohne dass man ein Abo bräuchte.

Entsprechende Geräte sind auf dem grauen Markt inzwischen auch in Deutschland zu haben - offenbar in größerer Stückzahl. Laut Premiere hat dies seit dem Weihnachtsgeschäft "auch Auswirkungen auf den Geschäftsverlauf und das Wachstum" des Unternehmens gehabt. Ergo: Die Abonnentenzahl von aktuell 4,2 Millionen (Premiere plus indirekte Kundschaft über Kabel- und Sat-Anbieter wie Arena und Unitymedia) könnte schrumpfen oder zumindest langsamer wachsen. Noch seien die Auswirkungen aber "nicht verheerend", wie ein Sprecher sagte. Die Piratengefahr ließ sich Premiere nun auch noch vom TÜV Rheinland bestätigen: In einem Gutachten wurden die Wege der Verschlüsselungsknacker nachgezeichnet und demonstriert, dass die veränderte Geräte den Sender überrumpeln konnten.

Um das Schwarzsehen nun noch zu verhindern, das sich trotz aller Illegalität weiter zum Volkssport entwickelt, hat der Bezahlkanal nur eine Möglichkeit: Er muss sein Verschlüsselungssystem wechseln. Das wird aktuell vom Schweizer Anbieter Kudelski entwickelt und hört auf den Namen Nagravision. Eine Möglichkeit wäre gewesen, dass Premiere künftig auf das weit verbreitete und aktuell ungeknackte NDS Videoguard setzt - eine Technik, die von einer Tochter der Rupert Murdoch-Konzerns News Corporation entwickelt wird. (Murdoch stieg kürzlich überraschend bei Premiere ein.) Dagegen sprach allerdings, dass Premiere bei der in den nächsten Monaten geplanten Veränderung der Verschlüsselung nur einen Tausch der Zugangs-Smartcard vornehmen will, die man in den Receiver einschiebt. Für NDS Videoguard wäre in vielen Fällen auch ein ganz neuer Receiver notwendig. Inzwischen hieß es von Premiere, man werde weiter mit Nagravision arbeiten, die Technologie in Zusammenarbeit mit dem Hersteller aber optimieren. Die Aktie von Kudelski war zuvor um bis zu 15 Prozent eingebrochen. Für den Austausch soll ein einstelliger Millionenbetrag in Franken fällig werden; über Schadenersatz will Premiere mit dem Technikpartner reden.

Bezahlfernsehen wird bereits seit Jahren regelmäßig geknackt. Bei Premiere konnte man so das analoge Signal einst mit einem einfachen PC entschlüsseln, heute ist etwas mehr Digitaltechnik samt Receiver-Hardware notwendig. Codes für die Nutzung von speziellen "Hackerkarten" geistern immer wieder durch das Internet. Die nun aufgetauchte Piratenmethode, bei der ein manipulierter Receiver mit einer neuen Software die Aufgabe des Signalknackens übernimmt, ist für den Schwarzseher besonders bequem - "Plug and Play", sozusagen. Aber auch diese Thematik ist nicht neu - immer wieder wurden auch für andere europäische PayTV-Pakete entsprechende Geräte angeboten, die die Sender dann vom Markt nehmen lassen mussten. Das Katz-und-Mausspiel verfolgt sie schon seit Einführung des PayTV - doch durch das Internet gelangen die Knackinformationen samt der passende Software schnell in viele Hände.

Der Satelliten-TV-Markt in Europa ist derzeit streng nach Ländern aufgeteilt; dass die meisten deutschen Sender unverschlüsselt ihr Programm abstrahlen, ist eher eine Ausnahme. Obwohl Astra und Hotbird den ganzen Kontinent abdecken, kann man so Zugänge für einzelne Plattformen nur in der jeweiligen Heimat erwerben - auch, weil die Sender nur auf ihren eigenen Markt beschränkte Lizenzen besitzen.

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