Regierungskrise durch Kosovo-Debatte: Serbiens politische Selbstlähmung

In Belgrad blockieren sich Regierung und Parlament gegenseitig, weil sie in der Kosovo-Frage zerstritten sind. Eine schnelle Lösung ist nicht in Sicht.

Die Regierung ist zerstritten, diese Dame eins mit sich: Serbien-Devotionalien gehen immer: Bild: ap

BELGRAD taz "Die Regierung ist paralysiert", erklärte Serbiens Außenminister Vuk Jeremic, nachdem Ministerpräsident Vojislav Koðtunica es ablehnte, die Sitzung seines Kabinetts für Donnerstag einzuberufen. Koðtunica hielt stur dem Druck des prowestlichen am Sonntag wiedergewählten Staatspräsidenten Boris Tadic stand. Er ignorierte auch den Aufruf von 16 serbischen Ministern, die Regierung nicht zu blockieren.

Der Anlass für die Regierungskrise ist die ursprünglich für Donnerstag geplante Unterzeichnung eines Vertrags über Handels- und Visaerleichterungen zwischen der EU und Serbien, einer Ersatzvereinbarung für das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA). Tadic Demokratische Partei (DS) bezeichnet dieses Interimsabkommen als wichtigen Schritt auf dem Weg zur EU.

Koðtunicas national-konservative Demokratische Partei Serbiens (DSS) betrachtet den Vertrag dagegen als heimtückische Falle der EU. Begründung: Die Unterzeichnung dieses "irreführenden" Abkommens mit der EU, die gleichzeitig eine Mission in das Kosovo schicken möchte, mit dem Ziel Serbien zu zerstückeln, wäre eine indirekte Anerkennung der Unabhängigkeit der südserbischen Provinz.

Zwar hat die DS mit der Partei G 17 Plus die Mehrheit im Kabinett und könnte gegen den Willen Koðtunicas Vizepremier Bozidar Djelic das Mandat zur Unterzeichnung geben. Doch nur der Ministerpräsident kann die Sitzung einberufen.

Die Entwicklung im Kosovo sei die Ursache für die Krise der serbischen Regierung, sagte EU-Erweiterungskommissar, Oli Rehn. Demnach blockierte Koðtunica die Unterzeichnung, um gegen die geplante EU-Mission im Kosovo zu protestieren. Das Abkommen der EU mit Belgrad wurde deshalb auf Eis gelegt, bis die Regierungskrise überwunden ist.

Eine schnelle Lösung der in der Kosovo-Frage gespaltenen Regierung ist aber nicht in Sicht. Bevor er eine Regierungssitzung einberufen will, fordert Koðtunica gemeinsam mit der oppositionellen ultranationalistischen Serbischen Radikalen Partei (SRS) und der Sozialistischen Partei Serbiens (SPS) - deren Gründer Slobodan Miloðevic war - zuerst die Einberufung einer Sondersitzung des serbischen Parlaments. Koðtunicas DSS, die SRS und die SPS haben eine bequeme parlamentarische Mehrheit. Sie wollen gemeinsam eine Resolution verabschieden, die alle Verträge mit der EU ausschließt, wenn Brüssel "widerrechtlich" eine EU-Mission in den Kosovo schickt oder die meisten EU-Staaten die Unabhängigkeit des Kosovo anerkennen. Im Gegenzug lehnt der Parlamentspräsident, ein DS-Abgeordneter, es ab, eine Parlamentssitzung einzuberufen.

Das politische Patt kann nur durch Neuwahlen überwunden werden. Oder wenn Koðtunica mit der SRS und SPS im Parlament eine Regierung der "nationalen Rettung" bilden, die prowestlichen Kräfte de facto entmachten und Serbien enger an Russland binden würde. Das unterstützt Belgrads Kampf gegen die Unabhängigkeit des Kosovo.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.