Tadic gewinnt in Serbien: Knappes Votum für die EU

Der Sieg des serbischen Präsidenten Tadi wird der Regierung die Zerreißprobe in der Kosovofrage nicht ersparen

Erleichtert: Boris Tadic. Bild: dpa

BELGRAD taz Blechmusik, Siegerpartys in angesagten Belgrader Diskotheken, hupende Autokolonnen mit Fahnen der Demokratischen Partei (DS). Tausende Menschen hatten Boris Tadic zugejubelt, als er auf der Terrasse des Büros der DS erschienen war: "Die Idee eines demokratischen, europäischen Serbiens hat gesiegt", hatte gut gelaunt der wiedergewählte Präsident gesagt. "Sieg, Sieg" hatte die Menschenmasse zurückgeschrien. Tadic Anhänger feierten Sonntagnacht den "historischen" Triumph bis in die frühen Morgenstunden.

Der Wahlsieg von Boris Tadic ist in Europa mit großer Erleichterung aufgenommen worden. Die EU hofft nun auf eine rasche Annäherung des Balkanlandes. Der EU-Außenbeauftragte Solana sagte in Brüssel, Europa sei "sehr glücklich" darüber, dass die Mehrheit der Serben den Weg nach Europa weitergehen wolle. Kommissionspräsident José Manuel Barroso erklärte: "Wir wollen Serbiens Fortschritt in Richtung Europäische Union beschleunigen."

Am Montag aber kam die Ernüchterung. Der Sieg war knapp. Viel zu knapp, meinen viele Analytiker. Nur ein volles Fußballstadion trennte Tadic und seine proeuropäische Politik von der Niederlage. Über 2,1 Millionen Menschen stimmten für den Führer der Radikalen, Tomislav Nikolic. Und das bei all dem, was er jahrelang verkörperte: Krieg, Verwüstung und Massenmord im ehemaligen Jugoslawien. Er glorifizierte mutmaßliche Kriegsverbrecher als Helden, bestritt die von Serben begangenen Kriegsverbrechen, ging als Freiwilliger für das Serbentum kämpfen. Die Akzente setzte Nikolic aber in dieser Wahlkampagne anders: Er sprach die verarmten, arbeitslosen, unzufriedenen Menschen an. Er redete nicht vom Krieg, sondern von sozialer Gerechtigkeit, vom besseren Leben. Sozialistische Parolen gaben seiner Kampagne den Grundton. Er würzte sie geschickt mit dem Nationalismus, für den er bekannt ist.

Schon in der Wahlnacht zeigte Tadic, dass er die Botschaft der Wähler verstanden hat und die Kraft des Radikalen keineswegs unterschätzt. Er gratulierte Nikolic zum hervorragenden Ergebnis. Zuvor gratulierte Nikolic gleich nach den ersten Hochrechnungen als Erster Tadic zum Sieg. Die korrekte Haltung der Rivalen entschärfte die angespannte Stimmung. Dem politisch turbulenten Serbien stehen schon im Mai Kommunalwahlen bevor, vorgezogene Parlamentswahlen sind nicht ausgeschlossen.

Obwohl der Präsident Serbiens hauptsächlich zeremonielle Befugnisse hat, wurde der erbitterte Wahlkampf zwischen Tadic und Nikolic auf ein Referendum für oder gegen die EU zugespitzt. Die beiden Kontrahenten unterschieden sich vor allem in der Kosovofrage. Auch wenn demnächst die zu über neunzig Prozent von Albanern bewohnte, seit 1999 von der UNO verwaltete südserbische Provinz die Unabhängigkeit ausruft und die meisten EU-Staaten diese unilateral anerkennen, will Tadic die europäischen Integrationsprozesse Serbiens fortsetzen. Nikolic dagegen wollte in diesem Fall die Beziehungen mit der EU abbrechen und Serbien enger an Russland binden.

Auch die regierende Koalition - Tadic Demokratischen Partei (DS), das national-konservative Bündnis Demokratische Partei Serbiens (DSS), die Partei Neues Serbien (NS) angeführt von Premier Vojislav Koðtunica, und die Expertenpartei G 17 Plus - ist in der Kosovofrage gespalten. Für die DS und G 17 hat Serbiens zukünftige Mitgliedschaft in der EU allerhöchste Priorität, was auch immer mit dem Kosovo geschehen wird. DSS und NS beharren aber darauf, dass Serbien nichts in der EU zu suchen habe, wenn EU-Staaten die Unabhängigkeit des Kosovos anerkennen, und wollen in diesem Fall sogar das schon paraphierte Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) mit der EU für nichtig erklären. Denselben Standpunkt vertritt die oppositionelle Serbische Radikale Partei (SRS), deren Parteichef Vojislav Seselj der Prozess wegen Kriegsverbrechen vor dem UNO-Tribunal in Den Haag gemacht wird, und die in seiner Abwesenheit von Tomislav Nikolic angeführt wird. In Priðtina ist schon alles für die Unabhängigkeit vorbereitet, die die Kosovoalbaner binnen Wochen ausrufen werden. Für die serbische Regierung wird das die endgültige Zerreißprobe sein.

In der Regierung hat Tadic als DS-Parteichef gemeinsam mit G 17 die Mehrheit, sie haben schon angedeutet, dass sie ungeachtet des Widerstands von Kostunica bereit sind, alle Verträge mit der EU zu unterzeichnen. Als Juniorpartner in der Regierung hätte Koðtunicas DSS allerdings mit den Radikalen von Nikolic - der mit Abstand stärksten serbischen Partei - eine bequeme parlamentarische Mehrheit, die alle Beschlüsse der Regierung blockieren könnte. Der Ministerpräsident könnte seine eigene Regierung auflösen und mit der SRS auch ohne Neuwahlen eine neue bilden - alles im Namen des nationalen Interesses und der Verteidigung der territorialen Integrität und staatlichen Souveränität Serbiens. Mit dieser Drohung konnte er bisher Tadic mit seinen proeuropäischen Ambitionen erfolgreich in Schach halten.

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