Serbien wählt: Kosovo stimmt für Nationalisten

Der Druck der Bevölkerung auf die politische Führung wächst, endlich die Unabhängigkeit der Provinz Kosovo von Serbien auszurufen.

Zwei von drei Kosovaren stimmten für Nikolic. Bild: dpa

PRISTINA taz Nicht einmal in den von politisch interessierten Leuten frequentierten Restaurants in Pristina wurden am Wahlabend die Fernseher auf serbische Programme umgeschaltet. Nach außen gaben sich die meisten Albaner des Kosovos uninteressiert an den Wahlen in Serbien. Doch insgeheim waren alle gespannt, was sich in Serbien tut. Denn es kann ja niemandem gleichgültig sein, ob die Serben sich für den Osten und damit pro Russland oder für den Westen und damit die EU entscheiden. Und so wurde dann doch noch das Wahlergebnis analysiert.

Der ständig am Mobiltelefon hängende kosovarische Wahlforscher vom Institut für Politik, Forschung und Entwicklung, Genc Krasniqi, fand nach einigen Gesprächen interessante Details heraus. Der Sieg des proeuropäischen Kandidaten Boris Tadic sei vor allem der serbischen Bevölkerung in den großen Städten und den Minderheiten geschuldet. So hätte die Bevölkerung des an Montenegro angrenzenden muslimisch dominierten Sandþak zu 80 Prozent Tadic gewählt, auch in der von immer noch vielen Ungarn besiedelten Vojvodina hätte Tadic überdurchschnittlich viele Stimmen gewonnen. "Die Minderheiten in Serbien wollen in die EU, insbesondere wollen sie Demokratie und Rechtssicherheit", analysierte Genc. Unter einem Präsidenten Nikolic wäre ihre Lage sicherlich kritischer geworden.

Die Serben im Kosovo dagegen haben mit 70 Prozent für den Nationalisten Nikolic gestimmt. Aber das hat in dieser Runde auch niemand anders erwartet. "Es spielt für uns keine Rolle, wer von beiden Präsident wird, beide wollen Kosovo in Serbien halten und wir müssen die Unabhängigkeit des Kosovos gegen fast alle politischen Kräfte in Serbien und vielen Bedenken der internationalen Gemeinschaft durchsetzen", wirft Bujar Bukoshi, Parlamentsabgeordneter und früherer Premierminister des kosovoalbanischen Schattenstaates während der 90er-Jahre in die Runde. "Die Wahl von Tadic verschlechtert eher unsere Chancen."

Denn vor allem die Europäer seien nun wahrscheinlich bereit, mit Tadic in der Frage des Kosovos weitere Kompromisse zu schließen, ohne den Serben einen grundsätzlichen Kurswechsel abzuverlangen. So in der Frage der Kriegsverbrecher. "Für uns wäre es also besser gewesen, Nikolic hätte gesiegt, denn dann hätte Europa eindeutig Stellung beziehen müssen", präzisiert Bukoshi seine Position. Einig ist sich die Runde, dass die Unabhängigkeit des Kosovos so schnell wie möglich ausgerufen werden muss. Doch außer Gerüchten und Spekulationen weiß keiner Genaueres. Premierminister Thaci hat zwar oftmals von "wenigen Tagen" geredet und Parlamentspräsident Jakup Krasniqi die Erklärung noch für den Februar angekündigt, doch die politische Führung lässt die Bevölkerung im Ungewissen. Einige in der Runde wollen wissen, der Termin sei der 17. Februar, weil dann die EU-Außenminister auf ihrem nächsten Treffen am 18. Februar darauf reagieren müssen. Andere wiederum glauben nicht an einem Termin vor dem März.

Sicher sind sich jedoch alle, dass die Serben Kosovos und vor allem die politischen Kräfte im serbisch bewohnten Nordteil der Stadt Mitrovica das Kosovo spalten wollen. "Wenn die Albaner die Unabhängigkeit ausrufen, werden wir Unabhängigkeit vom Kosovo ausrufen", hatte schon der als eher moderat geltende Serbenpolitiker Oliver Ivanovic vor geraumer Zeit gedroht. Mit der Reaktion der Serben auf die Unabhängigkeitserklärung der Albaner droht die Spaltung des Kosovos, die serbische Grenze würde nach Mitrovica verlegt. Die Spaltung des Landes sei nur zu verhindern, wenn die internationalen Truppen der KFOR die Grenzen hin nach Serbien sichern, meinen die Albaner. Und wenn die internationale Gemeinschaft in der Frage der Grenzen hart bliebe. Die UN-Mission habe in den letzten Jahren aber nicht einmal versucht, die Serben in Nordmitrovica zu entwaffnen, sagt Genc Krasniqi und bleibt skeptisch. "Die EU plant für die künftige EU-Mission, neben ihrem Sitz in Priðtina auch ein Büro in Nordmitrovica und ein Verbindungsbüro in Belgrad aufzubauen." Diese Struktur deute darauf hin, dass Europa Serbien erneut entgegenkommen will.

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