US-Wirtschaftsmisere: Krise schwappt über den Großen Teich

Die neuen Unternehmenszahlen werden zeigen, wie stark die US-Krise die deutsche Wirtschaft trifft. Künftig interessant: Euro-Aufwertung und Kreditvergabe.

Hier sind die Wellen schon angekommen. Bild: ap

Verdient die wirtschaftliche Talfahrt in den USA schon den Namen Rezession? Über diese Frage streiten Ökonomen derzeit mit Begeisterung. Die Praktiker in den Unternehmen interessiert dagegen vor allem, dass die Krise im Immobilien- und Bankensektor inzwischen auch in der Produktionswirtschaft angekommen ist. Viele US-Firmen haben deshalb bereits in den Rezessionsmodus geschaltet. Wie stark deutsche Unternehmen in Mitleidenschaft gezogen sind oder sich darüber sorgen, wird die in dieser Woche beginnende Berichtssaison zeigen. Zumindest bei den Banken und Finanzierern dürften noch einige Abschreibungen anstehen.

Besonders gespannt sein kann man auf die Geschäftszahlen der Deutschen Bank, die Vorstandschef Josef Ackermann am Donnerstag vorlegen will. Ackermann besteht bislang darauf, dass die Bank keine weiteren Wertberichtigungen befürchten muss, nachdem sie schon 2007 Verluste über 2,2 Milliarden Euro geltend gemacht hatte. Analysten glauben, dass es zumindest Abschreibungen im "kleinen dreistelligen Millionenbereich" geben wird. Die Ratingagentur Standard & Poors hatte ihre Prognosen für die Deutsche und die Dresdner Bank in der vergangenen Woche gesenkt.

Auch in den USA sind es immer noch vor allem die Banken, die Hiobsbotschaften verkünden. Von den vier größten Instituten traf es die Nummer eins am härtesten. Die Citigroup verbuchte für das vierte Quartal 2007 einen Verlust von 10 Milliarden US-Dollar, bei der Bank of America, JP Morgan Chase und Wachovia brachen nur die Gewinne ein - allerdings teilweise drastisch: bei Wachovia um 98 Prozent, bei der Bank of America um 95. Aber auch in anderen Branchen stöhnt man: So befürchtet der Mobilfunkanbieter Sprint Abschreibungen von bis zu 30,7 Milliarden US-Dollar.

Was jetzt passiert: Immer mehr Unternehmen kaufen nicht mehr neu ein, sondern leeren erst einmal ihre Lager. Auch mit Neueinstellungen und Investitionen warten sie ab. Stattdessen reduzieren sie Kosten: Sie entlassen. Die Citigroup spart sich neue Filialen und streicht 20.000 Jobs, Sprint trennt sich von 4.000 Mitarbeitern, der Internetkonzern Yahoo und der Chemieriese Dow Chemical bauen je 1.000 Stellen ab.

So weit ist es in Deutschland noch nicht. Bis auf die WestLB droht noch kein Kreditinstitut mit Arbeitsplatzabbau. Die nordrhein-westfälische Landesbank will 2008 1.700 Stellen streichen.

In den anderen Branchen dürfte es zunächst vor allem die Unternehmen treffen, die sich direkt in den USA engagieren. Das wäre in der Logistik vor allem die Deutsche Post AG, der ihr US-Expressgeschäft bereits eine Abschreibung von 600 Millionen Euro eingebracht hat. In der Pharma- und Chemiesparte müssen sich BASF und Bayer auf Einbrüche einstellen - beide erwirtschaften etwa ein Viertel ihres Umsatzes in den USA. In der Telekommunikation und im Softwarebereich hoffen die deutschen Unternehmen, dass die Rezession nicht zu tief greift. Die Telekom hat 28 Millionen Mobilfunkkunden in den Vereinigten Staaten, SAP macht dort ein Drittel seines Umsatzes. Den exportabhängigen Branchen Maschinenbau und Stahl macht neben der sinkenden Nachfrage aus den USA auch der starke Euro zu schaffen.

Die große Unbekannte aber ist, wie sich die Bankenkrise mittelbar auswirken wird. Das Gros der Analysten in den Großbanken sieht "keine Anzeichen für eine Kreditklemme". Dagegen erklärt Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft, "fast jeder zweite" Mittelständler habe den Eindruck, seine Hausbank gehe bei der Kreditvergabe "zunehmend oder sogar beträchtlich zurückhaltender vor". Helmut Rödl, Vorstandsmitglied der Wirtschaftsauskunftei Creditreform, sagt sogar, mehr als 1 Million Firmen in Deutschland hätten derzeit "eindeutig Schwierigkeiten, die Kreditkonditionen zu halten oder überhaupt an Kredite heranzukommen" - das wäre jedes dritte deutsche Unternehmen. Bei einer Umfrage der Europäischen Zentralbank unter den Verantwortlichen europäischer Banken rechneten die meisten Befragten damit, dass die Kreditvergabe an Unternehmen in den nächsten Monaten noch restriktiver wird.

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