Riesendemonstration der Kremljugend: Putin schläfert Jungpatrioten ein

Große Enttäuschung: Die Kremljugend "Naschi" hat Putins Machterhalt gesichert. Jetzt ist sie bloß ein Kostenfaktor und soll "demobilisiert" werden.

Für's Vaterland. Bild: dpa

MOSKAU taz Wo es um Verteidigung des Vaterlandes und nationale Ehre ging, waren die "Naschi" (Die Unsrigen) immer zur Stelle. In Zehntausender-Kohorten rückte die Jugendorganisation des Kreml in Moskau ein, wenn es galt, der schwachen Opposition das Feld streitig zu machen, dem Westen Einheit von Volk und Führung und Russlands neue Stärke zu demonstrieren. Wochenlang belagerte die "Putin-Jugend" im vergangenen Frühjahr die estnische Botschaft, als Tallinn ein sowjetisches Kriegerdenkmal verlegen wollte. Über Monate verfolgten "Naschi"-Stalker den britischen Botschafter, weil dieser gewagt hatte, an einer Veranstaltung der Opposition teilzunehmen.

Mediale Aufmerksamkeit war der paramilitärisch organisierten Jugend gewiss. Denn sie handelte auf Weisung der politischen Führung und hatte den Auftrag, einem Überschwappen der "Orangenen Revolution" aus der Ukraine nach Russland vorzubeugen. Der Auftrag ist erfüllt, nach den Dumawahlen im Dezember sitzt die Elite fest im Sattel und der designierte Putin-Nachfolger im Präsidentenamt gilt schon als gewählt. Jetzt werden den jungen Patrioten anscheinend die Flügel gestutzt.

Unter Berufung auf eine anonyme Kremlquelle meldete der Kommersant, die "Naschisten" würden einer neuen Aufgabe zugeführt. Geplant sei, 45 der 50 landesweiten Verbände aufzulösen. Statt Massenaktionen in der Hauptstadt stünden jetzt soziale und patriotische Förderprojekte auf dem Plan.

Viele Jugendliche sind enttäuscht. Alissa und Julia von den Moskauer Naschisten setzten große Hoffnungen in die Organisation: "Man lockte uns mit dem Versprechen, eine junge Elite zu fördern." Ihre Eltern könnten ein teures Studium nicht bezahlen. Die Aussichten auf Hilfe schwinden, und Unruhe unter den Ex-Nachwuchskadern ist deutlich zu spüren.

Ende der Woche sah sich der Vorsitzende Nikita Borowikow genötigt, Entwarnung zu geben. Ein Aufstocken auf 500.000 Mitglieder und Ausbau bis in den Fernen Osten werde dieses Jahr angepeilt, sagte der als Abwickler nach den Wahlen eingesetzte Jungfunktionär. Er verschwieg indes, dass die bisherige großzügige Finanzierung ausbleiben wird. Den Führungskadern wurden sogar die kostenlosen Mobiltelefone abgestellt.

Nur einer Handvoll Spitzenfunktionären gelang der Sprung in das hermetisch abgeriegelte Establishment. Naschi-Gründer und Agent provocateur Wassili Jakemenko darf sich in der Regierung jetzt der Jugendpolitik widmen, sein Bruder wurde zum Senator befördert und ein paar andere Mitstreiter erhielten einen Sitz der Kremlpartei "Vereinigtes Russland" in der Duma. Das wars dann aber auch von wegen Auffrischung und Verjüngung der Eliten.

Mit den Finanzen gab es wohl seit längerem Probleme. Das Internetportal "livejournal" berichtete, dass im Herbst Jugendgruppen aus Woronesch eine Reise nach Moskau mit Unterkunft im Hotel versprochen worden war. Stattdessen landeten sie auf einem Truppenübungsplatz vor Moskau und verbrachten die Nacht in Zelten. Verpflegt wurden sie mit Getreidebrei und Fischkonserven mit abgelaufenem Verfallsdatum. Der für eine bessere Unterbringung vorgesehene Etat, vermutet das "livejournal", sei wohl in privaten Taschen gelandet.

Auch andere patriotische Jugendverbände könnten bald von den Sparmaßnahmen erfasst werden, meinen Eingeweihte. Bei der "Molodaja Gwardija", der Jugendabteilung der Kremlpartei in Lipezk, die sich bei der Suche nach einer "neuen Elite" besonders hervorgetan hatte, sieht man dafür indes noch keine Anzeichen. "Wir haben verlässliche Sponsoren, Naschi hatten mehr mit dem Kreml zu tun", meint der Ortsvorsitzende vorsichtig. In der Provinzstadt stellt man sich jetzt auf einen Zustrom der Naschi-Aktivisten ein. Die Türen stünden ihnen offen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.