Ja-Wort für EU-Verfassung: Zwei Hochzeiten und ein Todesfall

Frankreichs Abgeordnete wollen am Montag nach der Heirat des Präsidenten der modifizierten EU-Verfassung ihr Ja-Wort geben. Volkes Meinung bleibt auf der Strecke.

Will sich von einem Referendum nicht ins Schwitzen bringen lassen: Nicolas Sarkozy Bild: dpa

Die letzten Hoffnungen auf ein neues EU-Referendum in Frankreich sollen am heutigen Montagnachmittag beerdigt werden: in Versailles. Zweieinhalb Jahre, nachdem 55 Prozent der Franzosen die EU-Verfassung spektakulär zu Fall gebracht haben, will Staatspräsident Nicolas Sarkozy kein neues politisches Risiko eingehen. Er will den Nachfolgetext nicht mehr dem Volk, sondern bloß den Abgeordneten vorlegen. Dafür braucht er eine Änderung der französischen Verfassung, über die heute abgestimmt wird. Die Parlamentarier der rechten UMP und der linken PS hätten schon im Mai 2005 mit überwältigender Mehrheit für die EU-Verfassung gestimmt. Das "non" der Basis haben sie als Trauma erlebt. Jetzt ist ihre Stunde gekommen.

Der neue Text, die so genannte "Vereinbarung von Lissabon" heißt nicht mehr "Verfassung" und enthält keine Hinweise mehr auf EU-Fahne oder Hymne. Doch in den wesentlichen inhaltlichen Punkten ist er identisch mit der abgelehnten EU-Verfassung. "Dieselben Werkzeuge - bloß anders in der Werkzeugkiste angeordnet", stellt Exstaatspräsident Valéry Giscard dEstaing lakonisch fest. Der Rechtsliberale muss es wissen. Er war Hauptautor der EU-Verfassung und Präsident des Konvents, der jenen Text im Jahr 2004 formuliert hat.

"Die wesentlichen Neuerungen und fast die Gesamtheit der juristischen Bestimmungen finden sich im veränderten Vertrag wieder", atmet der französische Europaabgeordnete Alain Lamassoure erleichtert auf. Im Auftrag von Sarkozy hat er den neuen Vertrag mit den anderen europäischen Regierungen - insbesondere der deutschen - ausgehandelt.

Den Non-Sagern ist der Etikettenschwindel klar. "Der modifizierte Vertrag ist die Synthese der abgelehnten EU-Verfassung", diagnostiziert einer ihrer Sprecher, der Politologe Raul-Marc Jennar. Genau wie 2005 befürwortet heute die französische Elite den EU-Vertrag. Doch anders als damals findet das Thema in der Öffentlichkeit nicht mehr statt. Die Vordenker der Non-SagerInnen bleiben ohne das Forum eines Referendums unter sich. Im Frühling 2005 hatte in Frankreich erstmals eine populäre Grundsatzdebatte über Inhalt und Ziele der EU stattgefunden. Die Debatte wurde von Linken bestimmt, die eine grundsätzlich proeuropäische Haltung haben, jedoch soziale und demokratische Mindeststandards von der EU verlangen. Ihre Argumente gaben den Ausschlag für den Sieg des "Non".

Dieses Mal finden die Debatten über den neuen EU-Vertrag in Sälen ohne großes Publikum statt. Eine Petition im Web (www.nousvoulonsunreferendum.eu) erhielt nur 81.000 Unterschriften. Heute Nachmittag werden die EU-Vertrag-Gegner in Versailles noch einmal demonstrieren, doch sie haben bereits resigniert. "Das Schicksal der Franzosen liegt jetzt in den Händen der Iren", sagt die grüne Politikerin Francine Bavay. Die irische Regierung ist die bislang einzige in 27 EU-Ländern, die ein Referendum über den neuen EU-Vertrag organisiert. Ihre Verfassung verpflichtet sie dazu.

Die sozialistische Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal hatte in ihrem Wahlkampf versprochen, ein neues EU-Referendum abzuhalten. Doch ihre Partei hat gar nicht erst versucht, das Versprechen umzusetzen. Dabei wäre die PS dazu fähig. Heute sind die Abgeordneten beider Kammern des Parlamentes in Versailles zu einem gemeinsamen "Kongress" aufgerufen, der die Änderung der französischen Verfassung absegnen soll, die nötig ist, um den EU-Vertrag auf parlamentarischem Wege zu ratifizieren. Würden alle PS-Abgeordneten heute im Kongress gemeinsam mit den Kommunisten und den vereinzelten EU-Vertragskritikern aus der Regierungspartei UMP stimmen, bekäme Sarkozy nicht die Dreifünftelmehrheit, die er für eine Verfassungsänderung braucht. Er wäre zu einem Referendum gezwungen. Das will ihm die PS-Führung ersparen und ruft ihre Abgeordneten dazu auf, den heutigen Kongress zu "boykottieren".

Jean-Luc Mélenchon wird trotzdem hingehen. Der PS-Senator, Führungsmitglied der PS, hat 2005 die Kampagne für ein "non" gemacht. Heute wird er trotzig in den Kongress gehen und wieder mit "non" stimmen. Dieses Mal wird er voraussichtlich in der Minderheit sein.

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