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Die Richtung dieses Artikels ist für mich irre führend: Es geht bergauf am Arbeitsmarkt, aber bergab mit den Löhnen. Aber damit muss sich niemand abfinden, denn das ist kein Naturgesetz. Wer von seiner Arbeit nicht leben kann, arbeitet am falschen Ort. Die Entwertung von Löhnen und Gehältern ist die direkte Folge von Hartz-IV und der Politik der rot-grünen Regierung. Wenn soziale Sicherheitssysteme in extremer Weise niedrig veranschlagt sind, dann bieten sich die Menschen ganz von selbst zu Dumpinglöhnen an.
Ausserdem gibt es langfristig wieder eine Nachfrage nach Arbeitskräften, dann wird sich diese Situation bitter rächen.
Arbeitslosigkeit ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Es braucht Lösungen auf mehreren Ebenen. Die Innlandsnachfrage in Deutschland ist sehr gering - dies ist seit fast 20 Jahren ein Problem. Die Konsumenten tragen in Deutschland zu wenig zum wirtschaftlichen Leben bei. Die Sparquote ist zu hoch, es wird zu wenig ausgegeben.
Es wird Zeit, dass Deutschland über Arbeitslosigkeit und Armut diskutiert. Wer vor 25 Jahren seinen Abschluß in Soziologie oder Indologie gemacht hat, der konnte schlecht wissen, was 1990 in Deutschland passieren würde. Das ist nicht anders als mit den Facharbeitern der Stahlindustrie am Ende der 1970er in Westdeutschland. Woher hätten sie diesen tiefen Einbruch ahnen können. Es wird immer Schwankungen, Krisen und Rezessionen geben, aber gerade deswegen muss es auch soziale Netze geben.
Und Hartz-IV ist nur ein soziales Geribe, daran nähert sich Armut und soziale Probleme (Kinder- und Jugendarmut).
Der Nahost-Diskurs ist verrottet. Aber was viele nur für Deutschland beklagen, ist anderswo nicht besser. Ein kurzer Blick nach New York und London.
Kommentar Arbeitsmarkt und Lebensplanung: Die neue soziale Frage
Die Forderung nach angemessener Bezahlung hat nichts mit Kosumgier zu tun, es geht vielmehr um Zukunftschancen und die Planbarkeit des Lebens.
Noch vor wenigen Jahren galt der Glaubenssatz auch bei rot-grünen PolitikerInnen, dass jeder Job besser sei als gar keiner. Dass nichts schlimmer sei, als jahrelang auf Stütze herumzuhängen. An diesem Glaubenssatz war zweifellos etwas dran. Viele Leute, auch aus der akademischen Mittelschicht, kennen in ihrem Umfeld die ABM-Betroffenen, also Menschen, die sich in ihrem Leben immer wieder auf geförderte Maßnahmen vom Arbeitsamt verlassen haben und jetzt dauerhaft in der Armut festsitzen. Dass die Zahl der Arbeitslosen nach dem neuesten Monatsbericht saisonbereinigt weiter sinkt, ist somit eine gute Nachricht. Wer nicht aufgegeben hat, findet heute wieder leichter einen Job. Die eigene Erwerbsbiografie selbst verantwortlich zu planen, ist die richtige Idee. Die Gefahr droht jetzt von anderer Seite: Mancherorts zeigt sich, dass solche Planung vielleicht gar nicht lohnt. Und das ist das neue soziale Thema.
Ein Beispiel: 20 Prozent der bei den Jobcentern gemeldeten Stellen sind Leiharbeit, meist deutlich schlechter bezahlt als reguläre Jobs. Aber selbst wer 1.100 Euro netto verdient, kann nichts zurücklegen fürs Alter und erwirbt nur geringe Rentenansprüche. Gerade die jüngste Debatte um Sinn und Unsinn der privaten Altersvorsorge hat gezeigt, dass die Frage der Bezahlung nichts zu tun hat mit Konsumgier, sondern über Zukunftschancen entscheidet, also über die Planbarkeit des Lebens.
Tagelöhnertum und Niedrigentgelte finden sich dabei zunehmend im Dienstleistungssektor. Dort drängen sich angelernte Kräfte, weil die Industrie zunehmend nur noch qualifizierte Leute beschäftigt. Deswegen bewegen sich die Löhne für Wachleute und VerkäuferInnen knapp über Hartz-IV-Niveau. Die Kluft zwischen Dienstleistungsproletariat und höheren Verdienstgruppen wird künftig noch schärfer ins Blickfeld geraten.
In der öffentlichen Wahrnehmung hat die Debatte um einen Mindestlohn den Streit über die Langzeiterwerbslosigkeit verdrängt. Nicht, weil so viele vom Niedriglohn unter 7,50 Euro brutto direkt betroffen wären. Sondern weil es in dieser Debatte um Geld geht. Und um dessen Verknüpfung mit Arbeit, Würde und Zukunftschancen. Wie dieses Zusammenspiel künftig gestaltet werden kann, ist die entscheidende politische Frage. Angesichts dieser Frage könnte die monatliche Verkündung der Arbeitslosenzahlen vielleicht bald nur noch als Fußnote erscheinen.
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Kommentar von
Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).