Kommentar Offener CDU-Brief: Brutalstmöglich mutig

Kurz nach der Wahl in Hessen distanzieren sich einige CDU-Politiker vom Noch-Ministerpräsidenten Koch. Denn von Koch lernen, heißt verlieren lernen.

Oh, wie überraschend. Kurz nach der verlorenen Wahl in Hessen distanzieren sich einige CDU-Politiker vom Noch-Ministerpräsidenten Roland Koch. Angeführt wird das Häuflein der Mutigen von Hamburgs Ole von Beust. Der möchte im Februar wieder zum Bürgermeister der Hansestadt gewählt werden. An den Start seiner Karriere mit dem Rechtspopulisten Schill möchte er dabei weniger gern erinnert werden. Denn nach der Hessen-Wahl schlottert das rechte Knie: Von Koch lernen heißt verlieren lernen.

Und deswegen sucht von Beust schnell nach einem freundlicheren Image, oder wie es in einem offenen Brief in der Zeit heißt, nach "einem neuen parteienübergreifenden Konsens für die Integrationspolitik".

Dies wäre an und für sich sehr wünschenswert, könnte man von Beust und die anderen denn ernst nehmen. Aber so gilt: Nach der Wahl ist vor der Wahl. Und der Opportunismus der CDU-Nachdenklichen von Beust, Armin Laschet und Friedbert Pflüger scheint bemerkenswert. Zu auffällig ist die Platzierung nach der verlorenen xenophoben Wahlkampagne in Hessen und vor Hamburg. Hätte Koch die Hessen-Wahl gewonnen, von Beust und die anderen hätten ihr Papier ziemlich sicher in der Schublade gelassen. In Erinnerung ist auch noch, wie Parteichefin Angela Merkel dem Wahlkämpfer Koch ostentativ den Rücken stärkte.

Die "liberale" CDU, sie hätte ihren Koch ja durchaus früher stoppen können. Aber erst jetzt, wo aus dem hessische Leitkeiler, dem Kampagnenkönig der CDU, ein angeschlagener Eber wurde, da kommen sie aus dem Gehölz. Die Terminierung dieses offenen Briefes, sie ist das eigentlich Peinliche. Vier Tage nach der verlorenen Wahl inszenieren von Beust & Co ein pastorales Moralgesülze, Allgemeinplätze zur Rationalisierung der Integrationsdebatte. "Integrationspolitik muss über Parteigrenzen hinweg erfolgen." Jaja. "Umso mehr müssen wir anerkennen, dass Gewalt kein ethnisches, sondern ein Bildungsproblem ist." Soso. Nur was, wenn sich damit wieder keine Wahlkämpfe gewinnen lassen? Vielleicht doch wieder einen Keiler wie Roland Koch aus dem Wald holen und an irgendeiner anderen nationalen Offensive basteln?

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Andreas Fanizadeh, geb. 1963 in St.Johann i.Pg. (Österreich). Leitet seit 2007 das Kulturressort der taz. War von 2000 bis 2007 Auslandsredakteur von „Die Wochenzeitung“ in Zürich. Arbeitete in den 1990ern in Berlin für den ID Verlag und die Edition ID-Archiv, gab dort u.a. die Zeitschrift "Die Beute" mit heraus. Studierte in Frankfurt/M. Germanistik und Politikwissenschaften.

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