Sozialdemokraten in Niedersachsen: SPD sucht Normalbürger

In Niedersachsen hat die SPD verloren, weil sich viele Menschen kaum für Mindestlöhne interessieren, sagt Landeschef Duin.

Wohl wenig Freude bei der Zeitungslektüre: Wahl-Verlierer Jüttner. Bild: dpa

HANNOVER taz Einen Tag nach ihrer Wahlniederlage hatten die niedersächsischen Sozialdemokraten am Sonntag ihre Wunden zu lecken. SPD-Landeschef Garrelt Duin gab in seiner öffentlicher Manöverkritik erstmals zu, dass sich der ganz auf soziale Gerechtigkeit ausgerichtete Wahlkampf vor allem gegen die Linkspartei richtete. Erklärte im gleichen Atemzug diese Strategie für gescheitert.

Auf der Kippe stand Sonntag Nachmittag bei einer Sitzung des SPD-Landesvorstands zudem das weitere politische Schicksal des SPD-Spitzenkandidaten Wolfgang Jüttner, der bislang auch Chef der SPD-Landtagsfraktion in Hannover war.

Duin, der im Landtagswahlkampf oft im Tandem mit Jüttner aufgetreten war, betonte, er selbst wolle im Februar erneut als SPD-Landesvorsitzender kandidieren. Zu der weit interessanteren Frage, ob Jüttner Fraktionsvorsitzender bleiben wird, wollte er sich nicht äußern. Es sei Sache des Landesvorstandes, zu entscheiden, inwieweit auch personelle Entscheidungen zu den Konsequenzen des Wahlergebnisses gehörten. "Dem kann man nicht vorgreifen", sagte Duin. "Es wäre billig, zu sagen, dass Ergebnis falle allein in die Verantwortung des Spitzenkandidaten."

Viel Auswahl hat die SPD bei der Besetzung des Fraktionsvorsitzes im Niedersächsischen Landtag allerdings nicht. Duin selbst, der seit langem als Wulff-Herausforderer des Jahres 2013 gehandelt wird, gehört nicht dem Landtag, sondern dem Bundestag an. Er wolle 2009 erneut für das Parlament in Berlin kandieren, meinte er zudem.

Als Übergangslösung und Ersatzmann für Jüttner wurde öffentlich der ehemalige Landesinnenminister Heiner Bartling genannt. Doch der sagte zumindest am Wahlabend noch, er stehe für das Amt nicht zu Verfügung. Auf das zentrale Wahlkampfthema soziale Gerechtigkeit, das der Linken möglichst viele potenzielle Anhänger abspenstig machen sollte, hatten sich die niedersächsischen Sozialdemokraten nach Angaben von Duin schon vor eineinhalb Jahren festgelegt. Man habe die von der Agendapolitik enttäuschten Menschen zurückgewinnen wollen. Es sei um abgewanderte Wähler gegangen, für die soziale Gerechtigkeit wichtig sei, die aber kein Vertrauen mehr in deren Umsetzung durch die SPD gehabt hätten. Nach den Worten von Duin ist diese Strategie "aber nicht erfolgreich gewesen".

Die SPD müsse die Linkspartei als dauerhaften Spieler auf der parlamentarischen Ebene akzeptieren, verlangte der SPD-Landeschef. "Der Weg, die Linkspartei aus den Parlamenten herauszuhalten, hat sich als falsch erwiesen." Das SPD-Ergebnis in Niedersachsen sei "in der Tat katastrophal", gab Duin zu. Man habe alle Wahlziele verfehlt. "Wir müssen uns offenbar breiter aufstellen." Die SPD habe in der Gruppe jener Normalbürger verloren, die nicht von Themen wie Mindestlohn, Hartz IV oder der Verlängerung des Arbeitslosengeldes betroffen seien.

Beim niedersächsischen Spitzenkandidaten der Linken wollte anschließend verständlicherweise kein Mitleid aufkommen, Manfred Sohn sagte aber, die Sozialdemokraten seien in einer schwierigen Situation. Dass die SPD von der Linken gesetzte Themen im Wahlkampf habe aufnehmen müssen, habe seiner Partei durchaus genutzt, meinte er. Anders als im Bund seien die programmatischen Unterschiede zwischen SPD und Linker auf landespolitischer Ebene gering.

Sohn hatte nach eigenen Angaben vor dem Wahltag fest mit dem Einzug der Linken in das hannoversche Leineschloss gerechnet. Auch bei den vorangegangenen Wahlen habe man am Ende wesentlich mehr Stimmen erhalten, als vorher prognostiziert wurden, sagte er. Die Linke wolle "die bissigste Oppositionskraft" im Landtag sein. Sohn kündigte zudem eine enge Zusammenarbeit der neuen Linksfraktion im Landtag mit Gewerkschaften und außerparlamentarischen Initiativen an.

Zur Vorbereitung werde die Linke am Dienstag mit Vertretern des DGB und von Bürgerinitiativen zu einem Ratschlag zusammen kommen. Zwischen dem, was innerhalb und außerhalb des Parlaments geschehe, dürfe es "keine Chinesische Mauer" geben, sagte er. Diese Mauer müsse weg. Sohn war nach eigenen Worten von 1977 bis 2000 Mitglied der DKP.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.