Kommentar Prodi-Rücktritt: Italien fehlt die Mitte

Für Italien wäre eine große Koalition als Bündnis auf Zeit wohl das Beste. Doch das kann sich dort im Moment niemand vorstellen.

Völlig recht hatte Romano Prodi in seiner Rede vor dem Senat. Er merkte an, Italien könne sich ein Machtvakuum gerade jetzt nicht leisten. Recht hatte er auch, als er dringenden Reformbedarf beim Wahlrecht wie bei den staatlichen Institutionen anmeldete.

Auf Wahlrecht und Institutionengefüge nämlich geht das permanente Machtvakuum in Italien zurück. Jeder Regierungschef hat nicht bloß mit einer völlig zersplitterten Parteienlandschaft zu tun. Mit der unsinnigen Doppelung des Parlaments in die beiden gleichberechtigten Häuser Kammer und Senat hat er auch zu kämpfen. Und dann sind da noch die parlamentarischen Geschäftsordnungen, die der Regierung wenig Einfluss auf die Agenda des Parlaments erlauben, zugleich aber den Obstruktionsstrategien der Opposition breiten Raum lassen.

Die Antwort läge auf der Hand: eine große Koalition als Bündnis auf Zeit, um die nötigen Reformen durchzubringen. Für die nötigen Mehrheiten wäre gesorgt. Und es würde vermieden, Lösungen zu finden, die nur darauf zielen, das andere Lager zu schädigen. "Große Koalition" nennen auch die Italiener dieses Ding auf Deutsch - wahrscheinlich weil sie sich eine "grande coalizione" im eigenen Land einfach nicht vorstellen können.

In der Tat erscheinen die Widerstände fast unüberwindbar. Das beginnt bei den jeweiligen Wählerschaften, die sich hoch polarisiert gegenüberstehen und dem jeweils anderen politischen Lager nur Schlechtes zutrauen. Es geht weiter bei Politikern, die kräftig auf dieses Feuer blasen. Es war Berlusconi, der ohne den Funken eines Beweises nach seiner Wahlniederlage im April 2006 der siegreichen Mitte-links-Koalition mal eben Wahlbetrug vorwarf. Und es war Berlusconi, der direkt vor jenem Urnengang noch schnell das Wahlrecht reformiert hatte: Es zielte statt auf Vereinfachung des Systems darauf, Prodi einen vergifteten Sieg zu bescheren, eine zersplitterte Koalition mit dünner Mehrheit.

Dieser Versuch ist geglückt - zum Nutzen Berlusconis und zum Schaden Italiens. Solange führende Politiker in solchen Bahnen denken und dafür auch noch von ihren Wählern bewundert werden, stehen die Chancen auf ein breites Reformbündnis schlecht.

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Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.

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