Die Kunst der Demokratie

HOCHSCHULE An der Uni Osnabrück lernen Studierende, wie man Zivilgesellschaften regiert. Seit der Einführung von Bachelor und Master steigt die Vielfalt der Studiengänge

VON NIELS HOLSTEN

Es kann ja viel kritisiert werden an der Umsetzung des Bologna-Prozesses, der 1999 begonnen hat und in Deutschland die Umstellung der Studiengänge auf Bachelor- und Masterabschlüsse bis 2010 zur Folge hatte. Zum Beispiel, dass es zu wenig Masterplätze gibt und die Zugangshürden dafür in vielen Fällen zu unübersichtlich oder zu hoch sind.

Eines kann man aber sicher nicht sagen: dass die Vielfalt zu gering ist. Die Studierenden können heute in Deutschland unter bald 10.000 Master-Studiengängen auswählen.

Einige Studiengänge werden nur an einer Hochschule angeboten und sind so klein und exotisch, dass sich der Unkundige verwundert am Kopf kratzt und fragt: „Wie kann man das studieren und wer soll das studieren?“.

So beim Master „Demokratisches Regieren und Zivilgesellschaft“ der Universität Osnabrück. Sollen hier etwa die kommenden Ministerpräsidenten oder Bundeskanzlerinnen ausgebildet werden? „Die meisten, die hier anfangen, haben keine Vorstellung davon, was demokratisches Regieren bedeutet“, sagt Roland Czada. Der Politikwissenschaftler hat den Studiengang mit initiiert und konzipiert. „Die politische Bildung ist schlecht“, findet er, „gerade in Niedersachsen.“

Viele würden zudem denken, Regierung und Zivilgesellschaft arbeiteten gegeneinander. Dabei gehe es um ein kooperatives Verhältnis. „Regieren ohne Zivilbeteiligung ist nicht möglich“, sagt der Politologe.

Anfang mit zwei Studenten

Erstmalig angefangen hat der eigentlich für 25 Studierende angelegte Master im Wintersemester 2006 mit zwei Studenten – einem Deutschen und einem Amerikaner. Der Amerikaner ist noch heute da, nun aber als Forscher. Geblieben ist auch das Verhältnis von deutschen zu ausländischen Studierenden. Von den heute bis zu 37 Studenten pro Semester kommen gut 50 Prozent aus dem Ausland. Sie kommen aus Afrika, Asien, Lateinamerika, dem Nahen und dem Mittleren Osten. Das Auswärtige Amt fördert diese Studierenden mit Stipendien. Sie sollen später in ihren Heimatländern die Elite bilden.

Viele dieser Länder haben weniger oder andere demokratische Erfahrungen als Deutschland. Das Studium soll denn auch die Vielfalt der Demokratien vermitteln und zeigen, wie unterschiedlich das praktische Regieren sein kann.

Wichtig sei es, gesellschaftliche Gruppen zu organisieren, sagt Czada. „Regierende brauchen Ansprechpartner.“ Dementsprechend läuft das Studium nicht zwangsläufig auf ein Politikerdasein hinaus. Die Absolventen können ebenso für Interessenverbände, Nichtregierungsorganisationen oder Verwaltungen tätig sein.

Die Studierenden sollen lernen, wie politische Konflikte gelöst werden können und wie zwischen unterschiedlichen Interessen vermittelt werden kann. Das sind Fähigkeiten, die besonders in Ländern mit großen kulturellen und religiösen Unterschieden gebraucht werden.

Roland Czada sagt, dass viel Arbeit und Mühe in diesen „besonderen Studiengang“ investiert wurde. Er ist froh über die Freiheit, die solche Studiengänge möglich mache, aber er sieht die Vielfalt auch schon wieder schwinden. Das Problem für viele exotische Studiengänge bestehe darin, genügend Studenten zu bekommen, sagt Czada. „Viele haben Angst, damit auf dem Arbeitsmarkt nicht bestehen zu können.“